Der schlaue Pate
ohne Licht rückwärts hinein.
»Er muss losgefahren sein, nachdem wir zu dem Empfang weg waren«, sagte Prinz. »Obwohl er mit dem einen Auge gar nicht fahren dürfte.«
»Und kam zurück, bevor wir wieder da waren.«
Der Raum war schmal, aber sehr lang. Früher mal war dies ein Schlafsaal für Saisonarbeiter gewesen, mit langen Bettenreihen. Jetzt führten Tische an allen Wänden entlang, auf denen allerhand technisches Gerät und Kabelrollen chaotisch übereinanderlagen. Es roch nach Rauch und Öl und Eisen.
Ollie ließ das Bild ein bisschen zurückrollen und fror es ein, als der Wagen von der Seite zu sehen war. »Sieht aus, als wäre er voll beladen.«
»Er war einkaufen«, stimmte Prinz zu. »Vielleicht Schnapskisten.«
Ollie ließ vorlaufen. Nach zehn Minuten fuhr der Wagen ohne Licht wieder raus. Drei Minuten später kam Baginski zu Fuß zurück und schlüpfte ins Haus.
»Wenn das jemand beobachtet hätte, wäre er gleich zurückgefahren«, sagte Prinz. »So hat er irgendwo geparkt. Nicht dumm.«
Baginski verbrachte gut drei Stunden in seinem Haus, dann schlich er raus.
15.
Ende Januar …
… brach plötzlich der Winter ein, das ganze Land zitterte unter sibirischer Kälte, aber es fiel kein Schnee. Ganze Tage voller Sonnenschein und stahlblauem Himmel: ein stabiles Russlandhoch über Mitteleuropa, während ringsum alles im Schneechaos versank. Die ersten Kätzchen, Knospen, Krokusse und Maulwurfshügel waren gerade zum Vorschein gekommen, als der Boden und die Pfützen plötzlich knüppelhart froren und die Grünflächen von gefrorenem Raureif bedeckt waren.
Und als der Frost hereinbrach, tauchten endlich die beiden Staatsanwälte von der Abteilung Ermittlungsverfahren nach besonderer Zuweisung aus Frankfurt auf.
»Ein Mann und eine Frau, beide erst knapp über dreißig«, teilte Andreas mit. »Reinhard Krieg und Melanie Goldmann. Mal von denen gehört?«
Baginski schüttelte den Kopf. »Hatten sie schon größere Fälle?«
Sie waren zu einer ersten Besprechung mit dem Beschuldigten im Salon des Herrenhauses versammelt: Prinz und Desirée, Ingrid und Professor Dr. (em.) Erwin C. Rind, ein renommierter forensischer Psychologe Ende sechzig, dessen Profil des Serienmörder-Trios vor anderthalb Jahren fast punktgenau gestimmt hatte – nur dass er es für ein Duo gehalten hatte. Ollie saß in seiner Bastelbude und nahm alles mit versteckten Kameras und Mikros auf.
Rind war ein mittelgroßer Mann mit schmalen Schultern und leicht nach vorn gebeugter Haltung, dünnen grauen Haaren über einer rötlichen Glatze und warmen grünen Augen hinter altmodischen Brillengläsern. Ein zerstreut wirkendes Lächeln schien in seinem Gesicht festgeschraubt zu sein. Fast ständig war er umständlich mit dem Stopfen, Anzünden, Ausklopfen seiner Pfeife beschäftigt. Baginski trug keine Augenklappe mehr und hatte einen Stoppelbart.
»Sie gehörten zum Team der Staatsanwaltschaft, das vor zwei Jahren in Frankfurt einem italienischen Besitzer einer Pizzeriakette Zugehörigkeit zur kalabrischen ’Ndrangheta nachweisen wollte. Aus Italien waren Hinweise gekommen, in seinen Läden würde Geld gewaschen und er würde in Italien gesuchte Auftragsmörder als Köche und Kellner sozusagen parken, bis sie wieder nach Hause konnten. Unsere Vorsitzende Richterin Heike Schäfer war damals übrigens Beisitzerin. Angeblich war sie der Meinung, die Beweise würden nicht ausreichen. Die beiden anderen Berufsrichter wollten den Mann verurteilen, doch sie soll es geschafft haben, die beiden Schöffen auf ihre Seite zu ziehen und damit eine Mehrheitsentscheidung herbeizuführen. Jedenfalls wurde der Kerl freigesprochen.«
Baginski nickte. »Das habe ich auch gehört. Aber die Beweislage war wohl tatsächlich ein bisschen dünn. Sonst urteilt sie ziemlich harsch.«
»Bei organisiertem Verbrechen«, warf Desirée ein, »reichen die Beweise oft nicht, weshalb da kaum noch ermittelt wird.« Sie wollte noch etwas sagen, doch Prinz bedeutete ihr, die Klappe zu halten.
»Immerhin«, sagte Andreas schnell, »gehört sie nicht zu den Richtern, die sich ihre Beweise einfach zurechtschustern. Ich hatte noch nicht mit ihr zu tun. Seit wann ist sie hier?«
»Seit ein paar Monaten«, sagte Baginski. »Wollte unbedingt hierher.«
»Sie stammt aus Melsungen, wohnt jetzt wieder da. Ihr Großvater war mal hessischer Wirtschaftsminister. Sie selbst war nicht da, aber wir haben ihre Familie bei der Beerdigung gesehen. Die Kaisers und die
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