Der schlaue Pate
Manuela, meine Frau, kennt inzwischen alle Tricks, um das zu überwinden.«
Gezielt wich er den Blicken der Männer im Raum aus. Rind machte Notizen. Ingrid und Desirée wussten nicht recht, was für ein Gesicht sie aufsetzen sollten, und lächelten leicht.
»Ellen bisher nicht. Bei allen ihren anderen Männern …« Er sah zu Boden, dann wieder auf, Ingrid in die Augen. »Reden wir Klartext. Bei allen ihren anderen Männern hat der Schwanz immer von allein gestanden. Bei mir nicht. Ich habe alles Mögliche mit ihr gemacht, aber sie hat nie zugelangt, weil ihr einfach nicht klar war, dass es Männer gibt, bei denen die Frau halt mal was tun muss. Wir hatten sechzehn Jahre lang unsere Affäre, aber wir haben nie richtig miteinander geschlafen. Bei einem Treffen im Sommer habe ich ihr gesagt, was Sache ist und was sie tun muss.«
»Und, hm, damals, auf dem Internat?«, fragte Rind.
Baginski blickte kurz zu ihm, zuckte abschätzig die Achseln und sah wieder Ingrid an. »Damals war ich siebzehn, achtzehn, da konnte ich das auch noch.«
»Bleiben wir chronologisch«, sagte Andreas. »Wann waren Sie verabredet?«
»Abends um sieben, wie immer, auf dem Parkplatz beim Eulenturm, bei ihr um die Ecke, wo wir uns immer treffen.«
»Ist an diesem Freitag sonst irgendetwas passiert?«
»Nicht das Geringste. Ich war allein zu Haus. Es hatte den ganzen Tag geschneit, ich bin gar nicht vor die Tür gegangen. Doch, halt: Gegen fünf rief Ellen an, ob wir es nicht doch lassen sollten, wegen des Schnees. Ich sagte, der Wagen hat Winterreifen, Hauptstraßen und die Autobahn werden geräumt sein, und außerdem hörte es auf zu schneien. Also bin ich um halb sieben losgefahren und habe auf dem Parkplatz beim Eulenturm im Wagen gewartet. Sie kam etwa eine Viertelstunde zu spät, was meist so war, weil eins der Kinder noch was von ihr wollte, und sie hatte zwei Flaschen Wein dabei.«
»Was, hm«, fragte Rind, »ist eigentlich mit den anderen Männern?«
»Ellen und Männer.« Baginski schüttelte den Kopf. »Eine unendliche Geschichte. Sie träumt ständig davon, mal eine richtige Beziehung zu haben wie andere auch, aber sie neigt dazu, alle ihre Männer zwanghaft zurückzustoßen. Sie ist mit allen ihren Männern mal zusammen, dann wieder nicht, dann wieder doch, und sie hat außer einer kurzen und einer längeren Phase mit Achim, das ist der Vater der Töchter, nie richtig mit einem Mann zusammengelebt. Achim hat sie sogar geheiratet, aber der ist schon lange abgemeldet. Mit Saed, dem Ägypter, ist seit ihrem Geburtstag mal wieder Schluss, weil er ihn vergessen hatte. Na ja, zuerst sind wir zu Fuß in dem Melsunger Fachwerkzentrum essen gegangen, wie immer, dann sind wir in diese Laube gefahren.«
»Wo waren Sie essen?«, fragte Prinz.
»Im La Conchiglia, einer der beiden Italiener da, von halb acht bis halb zehn.«
Andreas grinste. »Nicht im La Mama?«
»Offensichtlich wissen Sie über die Crotones und die möglichen Verbindungen zur kalabrischen ’Ndrangheta Bescheid. Nein, aus ebendiesem Grund betrete ich den Laden nicht. Gegen die habe ich mal ermittelt, musste aber einstellen.«
Prinz nickte Desirée zu, die etwas notierte und fragte: »Warum diese Laube? Warum nicht ein Hotel?«
Baginski betrachtete sie. »Ellen erzählte bei dem Treffen im Sommer, nach vorheriger Bitte, sie nicht auszulachen, dass sie sich einen Schrebergarten mit Laube zugelegt habe. Nur um einen Ort zu haben, wo sie allein sein konnte; das Haus ist ja recht groß, aber ständig will jemand was von ihr. Genau wie ich ist sie gern allein. In der Laube gibt es kein Telefon, das Handy ›vergisst‹ sie gezielt, die Kinder sind alle groß genug. Sollte wirklich etwas passieren, weiß man ja, wo sie ist, nur wenige Minuten entfernt. Dort hat sie diesen Sommer ganze Tage verbracht, sogar geschlafen, und die absolute Ruhe und das Alleinsein genossen. Es gibt bloß Krach mit den drei oder vier anderen Schrebergärtnern da, es ist keine richtige Anlage, nur ein paar Gärten an der Bahnlinie. In Melsungen hat fast jeder sein eigenes Haus mit Garten. Ellen hat nicht das geringste Interesse, schreberisch tätig zu werden, der Garten verwildert. ›Da hätten wir uns doch treffen können‹, sagte ich. Es gab offenbar ein Bett. ›Das machen wir noch, Ewald. Das machen wir noch. Und da machen wir vielleicht wirklich noch ein Kind.‹ Wir waren in der Laube, weil sich in ihrem Kopf festgesetzt hatte, wenn es passieren sollte, dann da.«
Professor Rind
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