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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Schnell
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übernachtete noch oft bei ihr. Achim ahnte offenbar während der ganzen Zeit nichts. Meist war ja sein Besuch am Wochenende angesagt. Wenn ich gerade angerufen hatte und Ellen Sophie fragte: ›Wer soll uns denn besuchen kommen? Der Papa? Oder der Ewald?‹, strahlte Sophie übers ganze Gesicht und wollte, dass ich komme, erzählte Ellen mit erstauntem Lächeln. Wie sie es geschafft hat, Sophie davon abzuhalten, etwas auszuplaudern, ist mir schleierhaft. Manuela und ich lebten unseren Alltag und vermieden das Thema. Welche Verbitterung es bei ihr auslöste, konnte ich daran ermessen, dass sie Ellen nur noch als ›Madame Kaiser‹ bezeichnete. ›Madame Kaiser hat angerufen und abgesagt.‹ Das kam öfter vor, und ich kassierte einen Fausthieb in die Magengrube. ›Ich verstehe nicht, was du dir von dieser Frau gefallen lässt.‹
    Ein paar Monate später war Ellen wieder schwanger. Von Achim. Er kaufte ein Haus, und sie zogen zum zweiten Mal zusammen. Er konnte, was ich nicht konnte.
    ›Also ist die Sache vorbei‹, sagte Manuela.
    ›Zumindest ist vorbei, dass ich dort übernachte.‹
    ›Du willst dir so etwas bieten lassen?‹
    Dazu äußerte ich mich nicht. Der Gedanke, mir ›so etwas‹ eventuell nicht bieten zu lassen, war mir überhaupt nicht gekommen. Ein paar Monate später bekam ich eine Karte mit einem Babyfoto, ›Ellen, Achim und Sophie begrüßen Marie.‹ Es ist das Haus, in dem sie lebte, bis …«
    Baginski unterbrach sich, Tränen flossen ihm über die Wangen, aber er gab keinen Ton von sich. Nach ein paar Minuten hellten sich seine Züge auf, als er wieder in die Vergangenheit tauchte.
    »Von nun an trafen wir uns heimlich, ich wartete immer auf dem Parkplatz, kaum fünfhundert Meter von dem Haus entfernt, und ich kam immer mit Manuelas Auto, weil ich Angst hatte, dass jemand meinen Wagen erkennen könnte. Ich war ja in der ganzen Region kein Unbekannter mehr, und Getuschel wäre ungünstig gewesen. Wir gingen zwar ganz offen in Restaurants, mit ihr beim Essen gesehen zu werden war unproblematisch, aber danach hockten wir noch stundenlang im Wagen zusammen.
    ›Ach, Ewald, es ist furchtbar‹, sagte sie nach weniger als einem Jahr.
    In mir wallte ein stilles Triumphgefühl hoch. ›Du hast es ja nicht anders gewollt.‹
    ›Sag mal, bei dir und Manuela, wenn ihr miteinander schlaft … geht das auch so schnell?‹
    ›Wie schnell?‹
    ›Ach, weiß nicht, er fängt an, und schon ist er fertig.‹
    ›Oh. Hm. Nein, ich brauch da manchmal ziemlich lange.‹
    Sie seufzte. ›Das wäre das Richtige für mich.‹
    ›Dafür habe ich manchmal …‹
    ›… dieses andere Problem. Ja. Scheiße. Ich hätte damals, ich weiß auch nicht …‹
    So trafen wir uns in den folgenden Jahren alle paar Monate, weitaus seltener als früher, sie musste immer einigen Aufwand treiben, um das zu organisieren, eine Freundin als Alibi besorgen, Achim war äußerst eifersüchtig und im höchsten Maße misstrauisch; anfangs passierte nie etwas außer Umarmung und Küsschen zur Begrüßung und zum Abschied, manchmal ein bisschen Händchenhalten dazwischen, aber die Gespräche waren gelegentlich, nicht immer, von ähnlich rückhaltloser Intimität wie eben geschildert, und ich fuhr berauscht vor Glück wieder nach Hause. Bei einem der Treffen war mir noch im Wagen der Knopf von der Hose gesprungen. Sie kam wie immer ein paar Minuten zu spät, ich wartete auf dem Parkplatz beim Eulenturm an den Wagen gelehnt, mit einer Hand vorm Bauch die Hose festhaltend.
    ›Ach, nur ein Knopf›, sagte Ellen. ›Ich dachte schon, ist er etwa krank?‹
    ›Ich bin nie krank.‹ Das stimmt tatsächlich. Bis auf gelegentliche Zahnarztkosten und ein Infekt alle paar Jahre verdient das Gesundheitswesen nichts an mir. ›Ist aber lästig, die Hose rutscht dauernd.‹
    Ellen nickte, sah sich um. Sie steuerte auf einen Kiosk zu, in dem zwei ältliche Frauen hockten, die fanden irgendwo Nadel und Faden.
    Ellen ging in die Hocke und nähte mir den Knopf wieder an. Ich blickte auf sie herab. Sie blickte zu mir hoch. Dann fingen wir an zu lachen. Es dauerte Minuten, bis sie weiternähen konnte. ›Sonst steche ich dich noch.‹
    ›Jetzt hast du da die ganze Zeit gekauert.‹
    ›Das macht mir nicht so viel aus.‹
    Vom nächsten Lachanfall geschüttelt, spazierten wir eng umschlungen von dannen, wie frisch verliebt. Zwischendurch natürlich das unvermeidliche Zurückstoßen. ›Ich bin eine verheiratete Frau mit Kindern, ich kann das nicht

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