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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Schnell
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verflüchtigt. Zumindest auf meiner Seite. Wie ich Dich kenne, denkst Du jetzt bestimmt: Wenn es so ist, wieso hat sie es nicht einfach wegmachen lassen? Ewald, das kann ich nicht. Ich muss Dir etwas gestehen, was ich nur Dir (gerade Dir) gestehen kann, niemandem sonst. Ich bin, was keiner weiß, eine Mörderin. Ich hatte vier Abtreibungen, drei davon, bevor ich auf das Internat kam (die erste mit fünfzehn). Ich war vor Scham und Ekel vor mir selber schon mit sechzehn Alkoholikerin, und im Rausch ist es wieder und wieder passiert. Weißt Du noch, dass ich damals viel mehr vertrug als Du? Ich hatte gar nicht oft Sex, es passierte immer gleich beim ersten Mal. Wie damals auch mit Dir, weißt Du noch? Die anderen Kerle haben mich alle sitzen gelassen. Du nicht, und da ging es wie durch ein Wunder von allein weg. Vielleicht wollte Gott mir damit etwas sagen? Das habe ich damals gedacht, und das denke ich heute noch oft. Ich weiß nicht, ob das der Grund ist, weswegen ich alle Männer immer zurückstoßen muss (auch Dich, und hinterher tut es mir jedes Mal leid). Aber jetzt macht mich diese Schuld ganz krank, und es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Tote Babys kann man nicht wieder lebendig machen, aber ich habe Gott versprochen, wiedergutzumachen, was ich kann. Ewald, ich weiß gar nicht, ob das, was ich getan habe, für den Staat ein Verbrechen ist (oder noch ist). Das ist jetzt Dein Beruf. (Ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr mich das immer noch verwundert.) Tu, was Du tun musst, ich akzeptiere alles. Du warst für mich immer der beste Freund, den ich habe, und ich glaube, durch diese Sache (diese vielen Sachen!) wirst Du das vielleicht nicht mehr sein wollen (was ich gut verstehen könnte!). Ich weiß nicht, ob Du jetzt noch bereit sein wirst, überhaupt mit mir zu sprechen. Jetzt weißt Du alles. Mehr kann ich nicht mehr schreiben. Nur noch einmal wiederholen: Tu, was Du für richtig hältst. Ohne Rücksicht auf mich. Bitte vergib mir irgendwann, was ich Dir alles angetan habe und antue … In Liebe Ellen‹.«
    Baginski liefen die Tränen über die Wangen, als er den mehrseitigen handschriftlichen Brief zärtlich zusammenfaltete und an seine Brust drückte. Die Tränen glitzerten in seinem Vollbart.
    »Damals glaubte ich, ich hielte die Erklärung für alles in der Hand«, sagte er leise.
    Desirée saß völlig erstarrt da. Professor Rind zündete seine Pfeife an, die ausgegangen war, als er reglos zugehört hatte.
    »Und nun glauben Sie, die Erklärung für die, hm, Erklärung liege eigentlich, hm …?«
    Baginski wandte ihm das Gesicht zu und lächelte schmerzlich.
    »Das ist doch offensichtlich, oder?«
    »Sie fleht um, hm, Absolution …«
    »Von mir hat sie sie bekommen.«
    Baginski kippte den Whisky, goss nach und beruhigte sich nach und nach. Desirée atmete tief durch.
    »Herr Baginski«, begann Rind zögernd, »sind Sie, hm, nun bereit, auch um die, hm, Absolution von Ellen Kaiser zu, äh, nun, hm …?«

Kein Datum, kein Ort, keine Zeit
    Miriam Bosch, die in einem fast runden Raum mit etwa drei Meter hoher Decke gefangen gehaltene forensische Psychologin aus Lippstadt-Eickelborn, hatte inzwischen zwölf verschiedene Frauen gezählt, die vor ihr wochen-, monatelang in diesem Raum festgehalten worden waren. Er hatte sie ständig gefilmt. Bei allem. Auch dabei, wie sie sich auf dem in die Wand eingelassenen Monitor Filme ihrer Vorgängerinnen anschauten. Genau wie Miriam Bosch selbst wurden sie während ihrer Gefangenschaft immer bleicher und immer dürrer.
    Es waren, was Größe, Figur oder Haarfarbe anging, ganz unterschiedliche Frauen, nur in den Gesichtern gab es eine gewisse Ähnlichkeit. Einige waren sogar Ausländerinnen. Licinia. Ludmilla. Nural. Claudine. Das verstand Miriam Bosch nicht. Sie hatte psychopathische Serienmörder untersucht und behandelt. Alle waren auf einen bestimmten Typ festgelegt. Der Kerl, dem sie in die Hände gefallen war, offenbar nicht.
    Alle Frauen hatte er mit Essensentzug und seinen widerlichen Schmeicheleien dazu gebracht, für seine versteckten Kameras die ekelhaftesten Dinge mit sich selbst zu machen. So wie nun Miriam Bosch die ekelhaftesten Dinge mit sich selbst für seine Kameras machte. Ihr war natürlich klar, dass er sich die Filme wieder und wieder anschaute und dazu masturbierte.
    Alle hatte er dazu gebracht, ihm zu versichern, dass sie ihn liebten. Über alle wusste er erschreckend viel.
    Beim letzten Film war sie vor Entsetzen völlig erstarrt.
    Es tut

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