Der schlaue Pate
machen sie einen fertig‹, sagte er wörtlich. Und da ist natürlich was dran.«
»Hast du …?«, begann Prinz.
»Nein. Ich habe nicht gefragt, ob er noch weitere Leichen im Keller hat, aber mit dem Alkoholismus allein könnten sie ihm enorme Schwierigkeiten machen.«
»Und Rominger zauberte einen Vertrag hervor«, sagte Prinz.
Andreas nickte. »Das macht der schlaue Pate anscheinend immer so. Darin war zwar auch nur von juristischen Beurteilungen nach deutschem Recht die Rede, was Baginski unverfänglich vorkam. Doch nachdem er unterschrieben hatte, sagte der Schweizer, er solle sein Exemplar sehr gut wegschließen; wenn das bekannt werde, sei seine Karriere vorbei. Bei der Verabschiedung sagte er, sein Mandant werde sich überaus dankbar zeigen, wenn er von irgendwelchen Ermittlungen gegen russische Unternehmen oder Organisationen prompt in Kenntnis gesetzt werde.«
Alle schwiegen einen Moment. Der ehemalige Minister schüttelte den Kopf. »Ich hätte nicht gedacht, dass Baginski so ein Narr ist.«
»Leider hat er auch seinen Vertrag und den Brief verbrannt. Wir haben für diese Geschichte also nach wie vor nur seine Aussage, keine Zeugen, keine Urkunden, keine Augenscheinsobjekte. Außer der von Hinten- SS abgepausten Unterschrift zu einem Zeitpunkt, wo er nachweislich krank war, und ihrer Zeugenaussage.«
»Hast du schon mit ihr geredet?«, fragte sein Vater.
»Natürlich nicht. Dann käme doch heraus, worauf wir hinauswollen.« Herbert Viehmann schwieg.
Andreas fuhr fort. »Zu seiner Erleichterung gab es bei der Kasseler Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen gegen irgendwelche russischen Unternehmen oder Organisationen, es lag nur die übliche Straßenkriminalität von Einzelpersonen vor, und er hörte ein halbes Jahr lang nichts. Als wir Boris Tews und diesen Igor hochgehen ließen, sah er das im Fernsehen, rief in Zürich an und versicherte, er sei seit einer Woche krankgeschrieben und habe von nichts gewusst. Rominger sagte, er werde das weitergeben. Da sich bis nach Weihnachten nichts tat, glaubte Baginski, er sei aus dem Schneider.«
»Aber«, sagte Prinz langsam, »sie stellten fest, dass auf den Anträgen der Staatsanwaltschaft Baginskis Unterschrift stand. Tews’ Putztruppe wurde erst zum 31. 12. gekündigt. Selbst wenn Hinten- SS alles weggeschlossen hat, es gab ja Kopien beim Richter. Er war für den schlauen Paten ein Verräter und ein Lügner.«
»Und am Tag vor Silvester fuhr er ahnungslos nach Melsungen«, hauchte Ingrid.
Fast eine Minute sagte niemand etwas.
Professor Rind zündete seine Pfeife an. »Desirée und ich haben gestern auf seinem Zimmer im Krankenhaus den Rest der Geschichte erfahren.«
Desirée holte den Rekorder aus ihrem Rucksack. »Nachdem er sich ganz zerknirscht für diesen Tritt entschuldigt hat. Das hat übrigens richtig wehgetan. Will jemand das Ende hören?«
»Unbedingt«, sagte Ingrid.
Desirée schaltete ein.
»Fünf Monate nach dem Brief«, ertönte Baginskis Stimme, »kam eine Karte mit einem Babyfoto, ›Ellen, Sophie und Marie Kaiser sowie Saed begrüßen Lukas‹. Drei zu vier. Ich freute mich für sie, aber mir zerriss es das Herz. Manuela erklärte mich für verrückt, sagte weiter nichts. Es dauerte eine Weile, bis wir uns wiedersahen, aber dann war es genau wie früher. Ich hatte wieder öfter meine Aussetzer, saß in meinem Büro vor dem Computer, konnte nicht weiterarbeiten, weil mich ein plötzlicher Anfall dieses wärmenden, lähmenden Ellen-Gefühls überwältigte. Das Telefon klingelte. Ellen sagte: ›Ich dachte, ich probier mal diese neue Durchwahl aus, die du mir letztens gegeben hast. Kann es sein, dass du gerade an mich gedacht hast?‹
›Ich sitze seit vielleicht fünf Minuten da, völlig paralysiert vor Liebe zu dir.‹
Ihre Stimme lächelte. ›Mir ist eben auch total warm geworden.‹
Ich schwöre, das ist nicht gelogen. So etwas ist genau zweimal passiert.
Zwischendurch war natürlich mal wieder Schluss, als sie wieder schwanger wurde, was mich nicht überraschte. Nach einem halben Jahr Funkstille rief ich sie an ihrem Geburtstag an. ›Ich bin so froh, dass du angerufen hast.‹ Saed ging ihr auf den Geist, sie sehnte sich nach unseren Gesprächen. ›Ewald, hör mal zu. Es wird wieder ein Junge. Ich möchte ihn gern nach dir nennen. Willst du Pate werden?‹
Sekundenlang war ich sprachlos. ›Sicher, gern. Es gibt da nur ein Problem: Ich bin aus der Kirche ausgetreten. Manche Pfarrer akzeptieren das, manche
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