Der schlaue Pate
unterwegs und verabredete sich mit anderen Frauen.« Rind nickte. »Baginski hat in seinem Büro einen Safe. Nichts Besonderes. Du«, sagte Andreas zu Prinz, »hättest mit dem Kasten vermutlich keine Probleme. Eines Tages im letzten Sommer machte er ihn auf und fand einen unbeschrifteten Umschlag darin, von dem er sicher war, ihn nicht selbst hineingelegt zu haben. Und in dem Umschlag waren drei Fotos. Sonst nichts. Auf einem steht er mit Ellen Kaiser irgendwo am Waldrand, umarmt sie von hinten, und sie betrachten den Sonnenuntergang. Bei den Fotos mit den anderen hatte er sich das graue Haar gefärbt und gegelt, trug lässigere, schickere Sachen als sonst und setzte eine modische Brille auf, um jünger zu wirken. Auf einem davon bringt er eine Frau zu ihrem Wagen, von der er nur noch weiß, dass sie Maria hieß und er sich einmal mit ihr in Regensburg traf. Das dritte Foto war ganz ähnlich, diese Frau hieß Jana, er traf sich zweimal mit ihr in einem Ort namens Köthen in Sachsen-Anhalt. An die Nachnamen erinnert er sich nicht mehr. Sobald Ellen Kaiser wieder angesagt war, ließ er diese anderen Damen sausen.«
»Wie hätten ihm denn solche Fotos schaden können?«, fragte Ingrid. »Von Ellen Kaiser wusste seine Frau sowieso, und die anderen Fotos waren doch völlig unverfänglich. Er bringt eine Frau zu ihrem Wagen, die er beruflich oder zufällig getroffen haben kann, und sieht sie nie wieder.«
»Na ja, was ihn erschreckte, war die Tatsache, dass jemand in der Staatsanwaltschaft problemlos an seinen Safe kam, und die beiden Treffen mit dieser Jana waren seiner Erinnerung nach letzten Sommer bereits um die drei Jahre her, das mit der Maria mindestens eins.«
Prinz nickte. »So lange hat der schlaue Pate ihn beobachten lassen. Muss ein ungeheures Geschäft sein, das er hier vorhat.« Ingrid funkelte ihn wütend an, er lächelte leicht. »Und dann schickte er einen Safeknacker, der mit Boris Tews’ Putztruppe problemlos in die Staatsanwaltschaft kam. Was hat Baginski mit den Fotos gemacht?«
»Sofort in Panik verbrannt, sagt er. Ein paar Tage später kam ein Brief eines Anwalts aus Zürich, offiziell an den Leitenden Oberstaatsanwalt adressiert, in dem in einer dringenden Angelegenheit von beiderseitigem Interesse um ein Treffen gebeten wurde, möglichst bald, aber wann und wo, könne Baginski selbst festlegen. Am Schluss stand: ›Schöne Grüße von Ellen, Maria und Jana‹.«
Prinz hatte sein versonnenes Lächeln im Gesicht.
»Baginski machte früher Schluss«, fuhr Andreas fort, »kaufte sich ein Wegwerf-Handy und rief den Anwalt in Zürich an. Das Gespräch sei überaus freundlich und kollegial verlaufen, und kein einziges verfängliches Wort sei gefallen. Man verabredete sich im Schloss Friedrichstein in Bad Wildungen, wo jetzt der Grischäfer nobel kocht, der Schweizer Anwalt übernahm die Rechnung. Er heißt –«
»Beat Rominger«, warf Prinz ein, »wie der frühere Radsportprofi.«
Andreas sah ihn verdutzt an, erinnerte sich an den Brief an Katharina Tews und nickte. Prinz hatte ihn die Verträge kontrollieren lassen, bevor Katharina sie unterschrieben zurückschickte. Sie war inzwischen in eine Wohnung in Göttingen gezogen und nervte Prinz mit ständigen Anrufen.
»Ich kenne keine Radsportprofis, aber so heißt er. Wieder ein freundliches und kollegiales Gespräch, Rominger bot an, ab dem nächsten Jahr erhebliche Summen für gewisse nebenberufliche Dienstleistungen zu zahlen, die keinen großen Zeitaufwand erfordern würden und sicher mit der eigentlichen Tätigkeit des Oberstaatsanwalts zu vereinbaren seien. Auf Baginskis Nachfrage redete Rominger undeutlich von juristischen Beurteilungen nach deutschem Recht.«
»Hat er gefragt, wen dieser Herr repräsentiert?«, wollte Herbert Viehmann wissen.
»Sicher. Rominger sagte, es sei ein russischer Oligarch mit internationalen Geschäftsverbindungen, aber um wen genau es sich handele, wolle der Herr Leitender Oberstaatsanwalt gar nicht wissen. Baginski dachte sofort, Russenmafia, und erhob sich, um zu gehen. Rominger sagte freundlich, man habe ihm bereits eine Kiste seines Lieblingsscotchs nach Hause geschickt, er solle sich wieder setzen, schließlich habe er einen sehr guten Ruf, er selber sei in Zürich auch hoch angesehen, eine geschäftliche Vereinbarung zwischen ihnen beiden werde beider Ruf sicher nicht schaden. Die unterschwellige Drohung, sagt Baginski, war so deutlich, dass er kapitulierte. ›Wenn die einen fertigmachen wollen, dann
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