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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Schnell
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nicht.‹
    ›Oh. Unserer nicht, das weiß ich. Ich hätte dich sozusagen offiziell vorstellen und du uns dann ganz regulär besuchen können. Schade, dann geht das nicht.‹ Zwischen den Jahren erblickte ich sie zum einzigen Mal schwanger.
    Ich bekam wieder eine Karte mit einem Babyfoto, ›Ellen, Sophie, Marie und Lukas Kaiser sowie Saed begrüßen Markus‹. Vier zu vier. Sie hatte es geschafft. Handschriftlich hatte sie dazugeschrieben: ›Mit zweitem Vornamen heißt er Ewald.‹
    Als ich sie besuchte, um mir den kleinen Mann meines Namens anzusehen, stillte sie noch, deshalb war es nur ein Nachmittag, Kaffee und Kuchen im Garten. Sie öffnete die Tür, aber ihr rutschte das Lächeln aus dem Gesicht, und beim Begrüßungskuss traf ich nur die Wange. Lukas hatte etwas ausgeplaudert, Saed sie stundenlang gelöchert, sie gelogen, ich sei nur ein alter Schulfreund. Sachlich teilte sie gleich mit: ›Dass du hierherkommst, wird in Zukunft nicht mehr gehen, und weg kann ich erst wieder, wenn der Kleine aus dem Gröbsten raus ist.‹
    Irgendwann wurden die Treffen wieder häufiger, Saed war immer öfter abgemeldet. Ich litt darunter, dass ich nicht mehr mitbekam, wie ihre Kinder größer wurden, und sagte ihr das auch oft. Sie erzählte viel, schenkte mir Fotos. Sophie war ›eine richtige Leseratte geworden‹, und ich bedauerte, nicht mit ihr über Bücher reden zu können. Und im letzten Sommer stieg sie zu mir in den Wagen und dirigierte mich zu einem Pferdehof, wo sie früher geritten war und wo in einem Kellergewölbe ein neues Restaurant aufgemacht hatte.
    Hinterher gingen wir am Waldrand spazieren. Die Sonne ging gerade unter, ein mattroter Ball in abendlichem Dunst über Wiesen, auf denen Pferde herumtollten. ›Guck mal, der Sonnenuntergang‹, sagte ich. Sie drehte sich um, sagte: ›Schön‹, ich stand hinter ihr und umarmte sie, sie griff nach meinen Händen, und so standen wir ziemlich lange da. Ich überlegte, ob ich sie umdrehen und küssen sollte, sie würde das bestimmt zulassen und vielleicht sogar, zum ersten Mal seit vielen Jahren, den Mund aufmachen. Aber ich tat es nicht. Warum, weiß ich nicht. Im Auto, auf dem Weg zurück zum Parkplatz, ging mir auf, dass ich soeben meine eigene Sonnenuntergangsszene erlebt hatte, wie in einer richtig schönen Schnulze.
    Ich sagte, ohne nachzudenken: ›Weißt du, was ich manchmal denke? Wenn   wir   es geschafft hätten, ein Kind zu machen, hätte ich absolut nichts dagegen.‹
    Sie sagte eine Weile nichts. Dann: ›Das denke ich auch oft.‹ Sie sah aus dem Fenster. ›Na ja, Ewald, das können wir ja noch.‹
    Ich stieg auf die Bremse. Hielt am Straßenrand. ›Was hast du gerade gesagt?‹
    Sie lächelte. ›So etwa seit zwei, drei Jahren denke ich da gelegentlich dran. Ich hätte gern noch ein Kind, und viel Zeit habe ich nicht mehr.‹
    Ich nickte. ›Fünf zu vier.‹
    ›Und irgendwie fände ich es schön, wenn es diesmal von dir wäre.‹
    Mit keinem Wort ging sie darauf ein, dass ich es vielleicht nicht schaffen könnte, mit ihr ein Kind zu zeugen. Und ich erklärte ihr, wie wir das hinkriegen könnten.«
    Desirée schaltete das Gerät aus.
    Herbert Viehmann blickte ins Leere. Professor Rind saugte angestrengt an seiner Pfeife. Andreas schüttelte den Kopf. Spohr grinste verlegen.
    »Was für eine romantische Geschichte«, seufzte Ingrid. »Wenn sie tatsächlich ein Kind von ihm bekommen würde, wäre das ein traumschönes Happy End. Stattdessen …«
    Selbst Prinz war berührt und erschüttert. »Sie haben solche Sachen im Kopf, und der Kerl, der ihn erpresst und sie umbringen lässt, lässt sie dabei fotografieren.«

20.
    Zum ersten Mal in seinem Leben war Prinz nur als Besucher im Knast, aber allein die Mauern, Gebäude, Türme bereiteten ihm Unbehagen. Die Luft, die Stille, das Auf- und Zuschließen von Stahltüren, die Uniformen, die unbeteiligten Gesichter und die ausdruckslose, förmliche Höflichkeit der Wärter. Der Besucherraum war klein, nur ein Tisch mit zwei Stühlen, der Wärter blieb hinter ihm an der Tür stehen, durch eine andere Tür wurde Igor gebracht, hinter dem ebenfalls der Wärter stehen blieb. Prinz hatte auch mal auf der anderen Seite des Tischs gesessen.
    Igor war Untersuchungshäftling, deshalb trug er noch private Sachen, natürlich einen Jogginganzug. Er setzte ein Grinsen auf und nahm Platz.
    »Tja, Igor«, sagte Prinz. »Ich sage nicht, dass es mir leidtäte.«
    Igor gab sein bellendes Lachen von sich. »Kein böses

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