Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
Scheuch vom Pfahl heruntergeholt und in die
Smaragdenstadt mitgenommen hatte.
Die Krähe war Elli und dem Scheuch nicht gefolgt. Sie betrachtete das Weizenfeld als ihr
rechtmäßiges Besitztum und blieb dort in Gesellschaft zahlloser anderer Krähen, Dohlen
und Elstern. Sie fraßen dermaßen, daß der Farmer, als er die Ernte einbringen wollte,
nichts als leeres Stroh vorfand.
„Da hat selbst die Vogelscheuche nichts geholfen”, seufzte der Farmer. Er kümmerte sich
aber nicht weiter um den verschwundenen Scheuch und ging mit leeren Händen nach
Hause.
Später erfuhr Kaggi-Karr durch die Vogelpost, daß irgendein Scheuch als Nachfolger des
großen Zauberers Goodwin Herrscher in der Smaragdenstadt geworden sei. Im ganzen
Wunderland könne es keine andere lebende Vogelscheuche geben, überlegte Kaggi-Karr,
als die, der sie einst geraten hatte, sich ein Gehirn zu verschaffen.
Für diese großartige Idee gebühre ihr eine Belohnung, folgerte die Krähe und flog
schnurstracks in die Smaragdenstadt. Es war aber nicht leicht, zum Weisen Scheuch
vorzudringen. Din Gior lehnte es ab, eine gewöhnliche Krähe, wie er sagte, zum Herrscher
vorzulassen.
Kaggi-Karr war empört.
„Eine gewöhnliche Krähe, sagst du? So höre denn, Langbart: Ich bin eine alte Freundin
deines Herrn, sozusagen seine Erzieherin und Lehrmeisterin. Ohne mich wäre er niemals
zu seiner hohen Stellung gekommen! Und meldest du mich nicht augenblicklich dem
Weisen Scheuch, so wird es dir schlimm ergehen!”
Der Langbart meldete die Krähe seinem Herrn und war nicht wenig erstaunt, als dieser
befahl, sie sofort einzulassen und ihr alle höfischen Ehren zu erweisen.
Der Scheuch hatte die Krähe f ür immer in dankbarer Erinnerung behalten. Er empfing sie
strahlenden Angesichts in Anwesenheit der Höflinge, stieg von seinem Thron und machte
mit seinen weichen, schwachen Beinen drei Schritte auf sie zu.
Das ging in die Annalen des Hofes als größte Ehrung ein, die jemals einem Gast zuteil
wurde.
Auf Befehl des Scheuchs wurde Kaggi-Karr in den Rang einer Hofdame erhoben und
erhielt den Titel Erste Abschmeckerin. Der Scheuch selber brauchte zwar kein Essen, doch
er führte einen guten Tisch für seine Höflinge. Unter Goodwin hatte es einen solchen
Brauch nicht gegeben, und die Höflinge priesen und lobten die Freigebigkeit ihres neuen
Herrschers.
Der Krähe wurde ein herrliches Weizenfeld unweit der Stadtmauer zugewiesen, das von
nun an als ihr Besitztum galt.
DIE BELAGERUNG DER SMARAGDENSTADT
Als Urfins Holzarmee anrückte, war Kaggi-Karr gerade dabei, eine zahlreiche
Vogelgesellschaft auf ihrem Feld zu bewirten. Beim Anblick der bunt bemalten grimmigen
Holzmänner auf dem Backsteinweg erriet sie, daß es Feinde waren. Sie befahl ihren
Gästen, diese aufzuhalten, und flog eiligst in die Stadt.
Das Amt des Torhüters der Smaragdenstadt versah Faramant. Seine oberste Pflicht bestand
darin, zahlreiche grüne Brillen aller Größen aufzubewahren, die auf Goodwins Befehl ein
jeder beim Betreten der Stadt aufsetzen mußte. Damit die Leute die Brillen nicht
abnahmen, waren diese hinten mit kleinen Schlössern versehen. Der Weise Scheuch, der
Goodwins Gesetze achtete, änderte nichts an diesem Brauch.
Kaggi-Karr schrie dem Hüter des Tores zu, daß Feinde im Anzug seien, und flog in das
Schloß.
Die unzähligen Dohlen, Elstern und Spatzen, die auf dem Felde zurückgeblieben waren,
stürzten sich auf Urfins Holzarmee, um ihren Vormarsch aufzuhalten. Die Vögel flatterten
vor den Gesichtern der Soldaten, stießen ihnen die Schnäbel in die Rücken, gingen auf ihre
Köpfe nieder und versuchten, ihnen die Glasaugen herauszupicken. Eine flinke Elster riß
dem General sogar den Hut vom Kopf und flog mit ihm davon.
Die Holzsoldaten fuchtelten mit ihren Säbeln und Knüppeln, doch die Vögel wichen ihnen
geschickt aus. Ein blauer Soldat traf aus Versehen den Arm eines grünen, der sich, vom
Gefecht benommen, auf ihn stürzte. Es kam zu einem wüsten Handgemenge. Als
Unteroffizier Giton sich zwischen die beiden warf, traf ihn zufällig der Knüppel eines
orangefarbenen Holzkopfs (der Schlag hatte einer Elster gegolten) und riß ihm das Ohr ab.
Es entstand ein schrecklicher Tumult. Urfin brüllte und stampfte mit den Füßen, General
Lan Pirot wußte nicht, was er eher tun sollte: dem diebischen Vogel nachrennen oder das
Heer wieder ausrichten. Die militärische Disziplin gewann jedoch die Oberhand: Der
General gab seinen Hut auf
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