Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
ersten. Da schrie
Urfin mit angstverzerrtem Gesicht:
„General! Laßt die Armee halten!”
Lan Pirot kommandierte: „Alles halt!”
Es hatte nicht viel gefehlt, und die ganze Holzarmee wäre umgekommen. Nun mußten die
Gestürzten aus der Schlucht herausgeholt und repariert werden. Diese Arbeit und der Bau
einer verläßlichen Holzbrücke nahmen fünf Tage in Anspruch.
Als die Armee die erste Schlucht überwunden hatte, trat sie in einen Wald, von dem man
sich im Lande grausige Dinge erzählte. Dort hausten riesige Tiger, von ungeheurer Kraft
und schrecklichem Aussehen. Scharfe Hauer, so lang wie Säbel, ragten ihnen aus dem
Rachen. Deshalb wurden sie Säbelzahntiger genannt. Die Käuen erzählten sich viele
schreckliche Geschichten vom Tigerwald.
Urfin blickte ängstlich nach allen Seiten.
Unheimliche Stille herrschte ringsum. Riesige Bäume, an denen graue Moosgirlanden
herabhingen, bildeten ein grünes Gewölbe, unter dem es dunkel und feucht war. We lkes
Laub bedeckte den gelben Backsteinweg und dämpfte die schweren Schritte der
Holzköpfe.
Eine Weile ereignete sich nichts. Plötzlich aber stürzte Lan Pirot auf Urfin zu.
„Gebieter!” schrie er, „in den Büschen lauern wilde Tiere. Sie haben gelbe Augen und
weiße Säbel im Rachen…”
„Die Säbelzahntiger”, rief Urfin entsetzt.
Hinter den Bäumen funkelten zahllose Lichter: die Augen der Bestien.
„General! Macht die Armee kampfbereit!”
„Zu Befehl, Gebieter!”
Holzsoldaten mit Knüppeln und Säbeln bildeten einen Ring um Urfin.
Die Säbelzahntiger knurrten und fauchten im Dickicht, wagten aber nicht, anzugreifen,
denn das ungewöhnliche Aussehen der Fremden verwirrte sie. Außerdem witterten sie
keine Menschen, die ihr liebster Leckerbissen waren. Plötzlich brachte jedoch ein
Windhauch Urfins Geruch an sie heran. Zwei Tiger, die hungriger und ungeduldiger waren
als die anderen, faßten sich ein Herz, duckten sich und schnellten aus dem Dickicht.
Aber noch ehe ihre gebäumten Körper auf die Mitte des schützenden Kreises um Urfin
niedergingen, zückten die Unteroffiziere auf Lan Pirots Befehl blitzschnell ihre Säbel, und
diese bohrten sich in die Leiber der aufheulenden Bestien. Im nächsten Augenblick trafen
die Knüppel der Soldaten die Köpfe und Flanken der Tiger, die tot zu Boden fielen. Die
Holzköpfe zerrten ihre zerschundenen Leiber an den Rand des Weges, während Urfin vor
Freude hüpfte und der Armee sein Lob aussprach.
Die anderen Tiger waren über den Vorfall so entsetzt, daß sie keinen neuen Angriff
wagten. Sie kauerten eine Weile in den Büschen, funkelten mit den Augen, knurrten noch
anstandshalber und verkrochen sich dann beschämt im Gehölz.
Urfin dachte zuerst, die Felle der toten Tiere zu beleben. Er würde dann Diener haben,
sagte er sich, wie es keine stärkeren im ganzen Wunderland gab. Schon hatte er befohlen,
den Tigern die Felle abzuziehen, als er sich eines Besseren besann, und den Befehl
widerrief. Er befürchtete nämlich, die Bestien würden sich nach ihrer Wiederbelebung
gegen ihn erheben und ihm Scherereien bereiten, denen er nicht gewachsen wäre.
Vor der zweiten Schlucht blieben die Holzköpfe selber stehen.
Eine Brücke wurde gebaut, und die Armee setzte ihren Weg fort. Dann kam sie auf ein
weites Feld, das Urfin wieder Ärgernisse brachte, die er weder ahnen nochvoraussehen
konnte.
Die Holzköpfe hatten in ihrem kurzen Leben sehr wenig Erfahrungen gemacht, und wenn
sie etwas Neues sahen, waren sie verwirrt und wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten.
Wären sie an eine dritte Schlucht gekommen, so hätten sie gewiß Vorsicht walten lassen.
Zum Unglück kamen sie aber an einen großen Fluß, den man überqueren mußte, um aus
dem Land der Käuer in die Smaragdenstadt zu gelangen. Bisher hatten die Holzköpf e aber
nur kleine Rinnsale gesehen, über die sie einfach hinwegschritten. General Lan Pirot
glaubte, die glatte Fläche des Flusses sei eine nein Art von Straße, über die es sich bequem
gehen ließe. Noch ehe Urfin einen Gedanken fassen konnte, brüllte der General: „Mir
nach, meine tapferen Soldaten!” und raste, von den gehorsamen Holzköpfen gefolgt, die
Böschung hinunter zum Fluß.
Das Wasser am Ufer war tief, die Strömung reißend. Sie erfaßte den General, die
Unteroffiziere und Soldaten, wirbelte sie herum und warf sie gegeneinander. Vergeblich
rannte Urfin in heller Verzweiflung am Ufer entlang und schrie gellend:
„Halt, Holzköpfe!
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