Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
Mäuse hintereinander
verzehrte und dann einen Blutegel, der sich unter seinen Fingern wand, an den Mund
führte.
Alle Anwesenden blickten zu Boden, ausgenommen den Obersten Zeremonienmeister Ruf
Bilan, der den Herrscher unterwürfig anstarrte.
Wie würden sich die Zuschauer dieses Schauspiels gewundert haben, hätten sie das
Geheimnis des Königs und seines Kochs gekannt! Die Zauberspeisen waren nämlich nur
eine geschickte Fälschung: Baluol hatte die Mäuse aus zartem Kaninchenfleisch zubereitet
und die Blutegel aus süßem Schokoladeteig gebacken, und wenn diese sich wanden, so nur
dank den flinken Fingern Urfins.
Urfin wollte durch dieses Schauspiel zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Erstens der
Eule vortäuschen, daß er jetzt ein echter Zauberer sei, und zweitens seine Untertanen in
Angst und Staunen versetzen.
Beides gelang ihm. Die Eule, die bei Kerzenlicht schlecht sah, fiel auf den Schwindel
herein und nickte beifällig. Auch auf die Hofleute und Räte verfehlte das Schauspiel seine
Wirkung nicht.
Nach dem Schmaus erzählten sie zu Hause ihren Angehörigen, was sie gesehen und gehört
hatten, und dabei fehlte es, natürlich nicht an Übertreibungen.
Bald verbreitete sich das Gerücht im Lande, der Zauberer Urfin habe beim Festmahl
lebende Eidechsen und Schlangen gegessen, und das erfüllte die Bürger mit Abscheu und
Entsetzen.
Drei Tage nach dem Schmaus legte der Hofchronist eine große Abhandlung vor, in der er
unumstößlich bewies, daß Urfin ein direkter Nachfahre der alten Könige sei, die einst über
das ganze Wunderland geherrscht hatten.
Daraus zog der Chronist zwei wichtige Schlüsse. Erstens, daß Urfin nach verbrieftem
Recht das Erbe der alten Herrscher angetreten habe, und zweitens, daß die Zauberinnen
Stella und Willina rechtswidrig Urfins Erblande an sich gerissen hätten, aus welchem
Grunde die dreisten Landräuberinnen mit Krieg überzogen und vertrieben werden müßten.
Als Lohn für sein Werk erhielt der Chronist einen silbernen Becher, der einem Kaufmann
weggenommen und noch nicht an die Schatzkammer des Schlosses abgeliefert worden
war.
Urfin beschloß, eine Polizeitruppe aufzustellen, die die Leute bespitzeln und die
Unzufriedenen festnehmen sollte. Die Soldaten waren ihm für dieses Amt zu ungeschickt.
Er fertigte den ersten Polizisten an und beauftragte seine Gehilfen, ihn bei der weiteren
Arbeit als Modell zu benutzen. Binnen kurzer Zeit überschwemmte die Polizei Stadt und
Land.
Die Polizisten waren dünner und schwächer als die Soldaten, hatten aber lange, flinke
Beine und riesige Ohren zum Horchen. Ihre Arme bestanden aus Baumwurzeln, deren
Endverästelungen die Finger bildeten. Manche Polizisten hatten ihrer sieben bis zehn an
jeder Hand, was Urfin für einen großen Vorteil hielt, da sie so ihre Opfer besser packen
konnten. Er bewaffnete die Polizisten mit Schleudern, in deren Handhabung sie es bald zu
großer Fertigkeit brachten.
Der Polizeichef hatte längere Beine und Arme und mehr Finger an den Händen als seine
Untergebenen und durfte, wie der Oberste Zeremonienmeister, jederzeit bei Urfin zur
Berichterstattung erscheinen.
Im Keller des Schlosses arbeiteten Tag und Nacht zwei ehemalige Soldaten, ein grüner und
ein blauer, die zu Gefreiten befördert worden waren. Die Tischlerarbeit ging ihnen flott
von der Hand, und bald hatten sie in einer Ecke der Werkstatt ganze Stapel hölzerner
Soldatenrümpfe aufgeschichtet. Daneben lagen Haufen von Holzkugeln für die Köpfe. Für
jeden Zug wurde ein Unteroffizier aus Mahagoniholz angefertigt.
Abends schloß sich Urfin in einem besonderen Zimmer ein, wo er die Gesichter in die
Kugeln schnitt und ihnen Augen aus grünen, roten und lila Glasknöpfen einsetzte.
Er befestigte die Köpfe auf den Rümpfen und bestreute die Soldaten mit dem
Zauberpulver. Dann wurden die neuen Mannschaften bemalt und nach dem Trocknen der
Farben auf den Hof gebracht, wo die Unteroffiziere und der Palisandergeneral (dessen
Kopf Urfin inzwischen repariert und blankpoliert hatte) sie zu drillen begannen.
Zug auf Zug marschierten die Soldaten unter Anführung der Unteroffiziere im
Paradeschritt zum Tor hinaus …
Urfins Armee war jetzt fast 120 Mann stark. Soldatenpatrouillierten ständig in der Stadt
und ihrer Umgebung. Mehrere Züge wurden in das Blaue Land der Käuer und das Violette
Land der Zwinkerer ausgesandt, damit die Statthalter das Volk in Zucht und Ordnung
halten konnten.
Zweiter Teil
Den
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