Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
Landesverrat angesehen
und streng geahndet.
Aus Anlaß der Titelverleihung sollte ein grandioses Volksfest stattfinden. Ruf Bilan und
General Lan Pirot wußten, daß kein Einwohner der Stadt und Umgebung freiwillig zu
diesem Fest kommen würde, und trafen daher Maßnahmen. Nachts vor dem Fest, als alle
Bürger noch schliefen, gingen die Holzköpfe in die Häuser, rissen die Leute aus dem
Schlaf und schleppten sie auf den Schloßplatz. Dort konnten sie ganz nach Belieben
weiterschlafen oder wach bleiben, aber den Platz durfte niemand verlassen.
Als Urfin in prächtiger Königstracht auf dem Balkon des, Schlosses erschien, stand eine
Menge Volk auf dem Platz. Man hörte aber nur ein schwaches „Hurra”, das Urfins
Kumpane und seine Holzsoldaten anstimmten.
In diesem Augenblick setzte das Orchester ein. Es war aber nicht das Orchester, dessen
liebliches Spiel das ganze Land bewundert hatte. Die Musikanten hatten sich trotz aller
Drohungen geweigert zu spielen, und Urfin ließ ihre Instrumente unter die Hofleute und
Holzsoldaten verteilen. Die letzteren erhielten Schlaginstrumente - Trommeln und Pauken
- und die Hofleute Blasinstrumente - Trompeten, Flöten und Klarinetten.
Aber wie kläglich spielte dieses auf Befehl der Obrigkeit zusammengewürfelte Orchester!
Die Trompeten krächzten, die Klarinetten heulten, die Flöten fauchten wie wilde Katzen,
und die Trommeln und Pauken kamen jedesmal aus dem Takt. Die Holzköpfe hämmerten
so beflissen auf die Trommeln ein, daß die Felle platzten, und bald gaben sie keinen Laut
mehr von sich. Die bronzenen Becken zerbrachen und schepperten heiser. Heiterkeit
bemächtigte sich des Volkes. Die Leute preßten die Hände vor den Mund, konnten aber
das Lachen nicht unterdrücken, das schallend aus ihnen hervorbrach. Manche fielen sogar
um und wanden sich wie in Krämpfen.
Der Hofchronist schrieb später, daß diese Heiterkeit von der Freude herrührte, die das
ganze Volk über die Thronbesteigung des mächtigen Königs Urfin des Ersten empfunden
hatte.
Nach der Zeremonie wurden alle Anwesenden zu einem Schmaus in das Königsschloß
geladen.
Gingema hatte seinerzeit mit Vergnügen die üblichen Gerichte der Zauberer - Mäuse und
Blutegel - gegessen, Urfin aber konnte es trotz des Zuredens der Eule nicht über sich
bringen, auch nur einen Blutegel oder eine Maus zu verzehren. Er hatte sich statt dessen
aber einen Trick ausgedacht:
Noch vor dem Schmaus bestellte er den Koch Baluol zu einer längeren Unterredung unter
vier Augen. Als der Dicke fortging, schnitt er schreckliche Grimassen, und es kostete ihn
ungeheure Anstrengung, ein Lachen zu unterdrücken. Er hätte viel darum gegeben,
jemanden in das Geheimnis einweihen zu dürfen, das ihm Urfin anvertraut hatte. Er hütete
sich aber, es auszuplaudern, denn Urfin hatte ihm das unter Todesstrafe verboten. Baluol
schickte die Küchenjungen fort, verschloß die Türen und bereitete die Speisen, die der
Herrscher gefordert hatte.
Der Schmaus ging seinem Ende entgegen, die Hofleute hatten schon unzählige Gläser auf
die Gesundheit ihres Herrschers geleert.
Urfin saß zu Häupten des Tisches auf Goodwins Thron, der aus dem Thronsaal
herbeigeschafft worden war, damit jedermann die Größe des Eroberers sehe. Die
Smaragden waren
längst überall herausgebrochen worden, nur die im Thron eingefaßten hatte man nicht
angerührt, und jetzt ließ ihr Gefunkel das finstere Gesicht des Diktators noch abstoßender
erscheinen.
Auf der Lehne des Throns hockte mit schläfrig zusammengekniffenen Augen die Eule.
Daneben stand Meister Petz, der die Anwesenden scharf im Auge behielt. Er war bereit,
sich auf jeden zu stürzen, der es dem Herrscher gegenüber an Respekt fehlen lassen sollte.
Plötzlich tat sich die Tür auf, und herein trat der Koch mit zwei Tellern auf einem
goldenen Tablett.
„Die Lieblingsspeisen Eurer Majestät!” meldete er laut und stellte das Tablett vor den
König hin.
Den Hofleuten drehte sich der Magen um, als sie die Speisen sahen. Auf einem Teller
türmten sich geräucherte Mäuse mit geringelten Schwänzchen, auf dem anderen lagen
schwarze schlüpfrige Blutegel.
Urfin sagte:
„Wir Zauberer haben einen besonderen Geschmack, und er wird euch einfachen Menschen
vielleicht etwas merkwürdig vorkommen …”
Meister Petz brummte:
„Ich möchte den Kerl sehen, dem der Geschmack unseres Herrschers merkwürdig
vorkommet!”
Grabesstille herrschte im Saal, als Urfin mehrere geräucherte
Weitere Kostenlose Bücher