Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
andere sprachen sich für lebenslänglichen Kerker aus, wieder andere waren der Ansicht,
man solle den ehemaligen Statthalter in ein Bergwerk verbannen, damit er dort Eisenerz
grabe.
Charlie bat ums Wort.
„Ich bin anderer Ansicht”, begann er ruhig, „wir sollten lieber Kabr Gwin in die
Smaragdenstadt zu seinem Herrn Urfin ziehen lassen. Ich schlage vor, wir lassen ihn frei.
Mag er allein auf dem Gelben Backsteinweg in die Smaragdenstadt gehen …”
Kabr Gwin wurde kreideweiß. Entsetzt schrie er:
„Allein durch den Tigerwald? Nein, nein, nein! Lieber will ich im Erzbergwerk Tag und
Nacht arbeiten!”
Die Käuer aber riefen belustigt:
„Aber wir lassen dich doch frei!”
„Damit mich die Säbelzahntiger fressen? … Nein, ich will ins Bergwerk!”
Die entwaffneten und gefesselten Holzköpfe wurden im Hof von Prem Kokus zu einem
Stapel aufgeschichtet und sollten hier so lange bleiben, bis man eine Verwendung für sie
finden würde.
Elli und ihre Gefährten aber zogen weiter. Wie vor einem Jahr klapperten die Schuhe des
Mädchens auf den gelben Backsteinen der festgestampften Straße; es waren diesmal aber
keine Silberschuhe, sondern gewöhnliche Stiefel aus Ziegenleder mit dicken Sohlen.
An Ellis Seite schritt wie damals der riesige Löwe, und vor ihnen sprang Totoschka einher.
Nur der Scheuch und der Eiserne Holzfäller fehlten. Ihre Stelle hatte der Seemann Charlie
eingenommen, auf dessen Schulter die Krähe Kaggi-Karr saß. Ein paar junge kräftige
Käuer trugen das Gepäck unserer Freunde.
WIE DIE SÄBELZAHNTIGER
VERTRIEBEN WURDEN
Die Käuer begleiteten die Wanderer bis an die Landesgrenze. Als sie die letzten Farmen
hinter sich hatten und zu beiden Seiten des Weges nur noch finsterer Wald stand, setzten
die Käuer das Gepäck ab und verneigten sich tief.
„Lebe wohl, liebe Frau Fee des Tötenden Häuschens!” sagten sie. „Sei uns nicht böse, daß
wir nicht weiter mitgehen, aber uns graust vor dem unheimlichen Wald.”
Dabei fingen sie bitterlich zu schluchzen an. Damit die Schellen sie dabei nicht störten,
hatten sie wieder die Hüte abgenommen und auf die Erde gelegt.
„Lebt wohl, teure Freunde”, erwiderte ihnen Elli. „Und weint nicht mehr, denn ihr seid
jetzt freie Menschen, und ich hoffe, daß ihr’s immer bleiben werdet!”
„Richtig, richtig! Wir hätten’s fast vergessen!” riefen die Käuer und fingen zu lachen an. Es
war einfach unfaßbar, wie schnell die Stimmung bei diesen Menschlein wechselte.
Als die winzigen Gestalten hinter einer Biegung verschwanden und das liebliche Geläute
ihrer Schellen verhallt war, gingen die Wanderer weiter.
Bald gewahrten sie in einer Schneise neben der Straße eine Hütte.
„Das ist ja das Haus des Eisernen Holzfällers!” rief Elli freudig aus. „Dort hatten wir
übernachtet, ich und der Scheuch, und am nächsten Morgen trafen wir den Holzfäller. Der
Arme stand unbeweglich wie eine Statue unter einem Baum und stöhnte. Erinnerst du dich
noch, Totoschka?”
„Ja”, erwiderte das Hündchen mürrisch. „Ich hab mir damals einen Zahn ausgebrochen, als
ich ihn ins Bein beiß en wollte. Freilich hätte ich es nicht tun sollen, der Holzfäller war
doch ein Prachtkerl. Aber damals wußte ich ja gar nicht, daß er aus Eisen war, und hielt es
für meine Pflicht, Elli zu beschützen.”
Es wurde Abend, und die Wanderer beschlossen, in der Hütte zu übernachten. Dem
Seemann war die Hütte allerdings etwas zu klein, und so kam es, daß seine Beine aus der
offenen Tür hinausragten.
Am nächsten Abend sagte der Löwe:
„Bald werden wir in meinem heimatlichen Wald sein, wo ich Elli zum erstenmal erblickte.
Dort werden wir auf prächtigem weichem Moos ausruhen, unter prächtigen hohen Bäumen
neben einem prächtigen tiefen Teich, in dem prächtige Frösche leben, die die lautesten
Stimmen im ganzen Wunderland haben.”
„Merkwürdig”, sagte Totoschka spöttisch, „w ie hast du’s nur über dich gebracht, einen so
prächtigen Ort zu verlassen und in einen fremden Wald zu ziehen?”
„Was sollte ich denn tun, wo mich doch die Staatsgeschäfte riefen?” seufzte der Löwe und
griff sich mit der Tatze nachdenklich an den Hals, wo die goldene Kette hing. „Man hat
mich doch zum König erwählt…”
Zwei Tage später kamen sie zu dem Wald, in dem die Säbelzahntiger hausten. Dumpfes
Gebrüll schlug an ihr Ohr, das sich wie ferner Donner anhörte. Kalte Schauer liefen ihnen
über die Rücken.
Charlie Black befahl,
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