Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
sie sich daran erinnerte, wie die Mäuschen sich damals anstrengen
mußten, und griff nach dem Pfeifchen, das an ihrem Halse hing und das ihr die
Mäusekönigin Ramina vor einem Jahr an der gleichen Stelle mit den Worten geschenkt
hatte, sie brauche nur hineinzublasen, und im gleichen Augenblick werde sie, die Königin,
vor ihr erscheinen. Einmal hatte Elli das Pfeifchen benutzt, als sie sich nach dem Sieg über
Bastinda auf dem Rückweg in die Smaragdenstadt verirrt hatte. Ramina, die gleichfalls zur
Zunft der Feen gehörte, war damals vor Elli erschienen und hatte ihr geholfen. Später, in
Kansas, hatte Elli oft in das Pfeifchen geblasen, aber niemand kam dort auf den Ruf
herbeigeeilt, was übrigens kein Wunder war, denn in Kansas geschahen eben keine
Wunder.
,Ich möchte gern wissen, ob das Pfeifchen seine Zauberkraft bewahrt hat`, dachte Elli.
Die Überfahrt über den Fluß erfolgte am Nachmittag. Dann hielten die Wanderer Rat, ob
sie gleich weitergehen oder den Abend abwarten sollten. Sie beschlossen, nachts
weiterzuziehen, und zwar aus folgenden Gründen: Obwohl die Holzsoldaten bei Nacht
ebenso gut sahen wie bei Tage, gewährte die Nacht doch einigen Schutz, zumal, wenn man
Seitenwege benutzte. Während die Gesellschaft in einem dichten Wald am Ufer des
Flusses ausruhte, machte sich Kaggi-Karr auf, die Umgebung auszukundschaften. Sie war
lange weg und kehrte müde, aber gut gelaunt zurück. Zehn Meilen im Umkreis hatte sie
weder auf dem Weg noch auf den Farmen einen Holzsoldaten gesehen. Also werde man
diese Nacht ungehindert den Gelben Backsteinweg entlang gehen können, folgerte sie.
Der Seemann, der in militärischen Dingen gewitzt war, nahm jedoch an, daß der tückische
Urfin tagsüber das Land unbewacht lasse, dafür aber nachts Späher aussende.
Deshalb schickte Charlie, als sie ihre Sachen eingepackt hatten, den Löwen voraus, denn
dieser konnte ja gut im Finstern sehen.
Der Löwe schlich lautlos auf seinen samtenen Pfoten mit eingezogenen Krallen dahin und
spähte aufmerksam nach allen Seiten. Hinter ihm lief Totoschka, der mit seiner feinen
Nase in die nächtliche Luft schnupperte.
Kaggi-Karr, die auf der Schulter des Seemanns saß, versank bald in einen tiefen Schlaf,
und Elli maßte sie auf ihre Arme nehmen. Bald aber fielen auch ihr vor Müdigkeit die
Augen zu, doch sie kämpfte, sich an Charlies Hand haltend, gegen den Schlaf an und
schritt tapfer weiter.
Nach mehreren Wegmeilen stutzte der Löwe plötzlich. Totoschka reckte den Kopf und
begann zu schnuppern.
„Ich rieche Farbe und Holz”, flüsterte er.
Augenblicklich war Elli hellwach und schmiegte sich ängstlich an Onkel Charlie.
Sie mußten nun herausfinden, wie viele Holzsoldaten sich in der Nähe befanden. Waren es
zwei oder drei, so konnte man es mit ihnen aufnehmen, waren es aber viele, so mußte man
das Feld räumen.
Totoschka drückte sich an die Erde, daß sein schwarzes Fell mit ihr verschmolz, und
robbte nach vorn. Wenige Minuten später war er wieder da.
„Dort stehen zwei Soldaten”, sagte er, „und irgendeine dritte Figur, die ihnen ähnlich sieht
und doch anders ist als sie. Der Mann ist auch aus Holz, nur ist er dünner, und seine Füße
sind lang und krumm, während die Arme wie Spinnenbeine aussehen.”
„Pfui, wie ekelhaft”, flüsterte Elli.
Totoschka aber fuhr fort:
„Der Mann hat grüne Augen und große, abstehende Ohren. Wahrscheinlich hört er besser
als eine Katze. Ich bewegte mich unhörbar, und doch spitzte er sofort die Ohren. Dann
wandte er sich ab, und ich schlich mich eilends davon.”
Kaggi-Karr sagte, das könne niemand anders als ein Polizeimann sein.
Charlie überlegte.
„Wir müssen uns in acht nehmen”, sagte er. „Mit den Tölpeln von Soldaten sind wir leicht
fertig geworden, den Polizisten aber werden wir schwerlich in unsere Hand bekommen. Er
wird uns davonlaufen, Alarm schlagen und die ganze Meute auf uns hetzen.”
Zum Glück gab es in der Nähe dichtes Gestrüpp, das gute Deckung bot. Als unsere
Wanderer in die Büsche eindrangen, rissen sie sich an den vielen Stacheln Löcher in die
Kleider. Charlie machte sich mit seiner Säge einen Platz für das Zelt frei, und bald
versanken der Seemann und Elli in tiefen Schlaf, während der Löwe und Totoschka Wache
hielten.
DIE ABENTEUER IN DER HÖHLE
Am Morgen flog Kaggi-Karr die Umgebung auszukundschaften. Zum Mittag war sie
wieder zurück. „So ein Pech: Auf allen Wegen stehen Polizisten.”
„Was fangen
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