Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
auf den Knopf, und wieder flog es zischend
heraus. Der Löwe zitterte am ganzen Körper, blieb aber, wo er war. Der Mut, den er von
Goodwin bekommen hatte, wirkte!
Es vergingen mehrere Tage. Die Pfoten des Löwen waren verheilt, man konnte endlich
aufbrechen.
Unseren Freunden, besonders dem Seemann, verkrampfte sich das Herz bei dem
Gedanken, daß das Land der Käuer in der Gewalt des habgierigen Kabr Gwin und seiner
Holzsoldaten verbleiben würde.
„Bei allen guten Winden!” rief Charlie, „wir müssen die braven Käuer befreien! Auch
dürfen wir nicht vergessen, was die Kriegswissenschaft lehrt, mit der ich mich auf den
Meeren vertraut gemacht habe: Du sollst den Feind nicht hinter dir lassen, damit er dir
nicht in den Rücken fällt!”
Charlie konnte es natürlich nicht mit allen Holzsoldaten gleichzeitig aufnehmen, denn die
Übermacht wäre zu groß gewesen. Nur einzeln war ihnen beizukommen. Aber wie, wo sie
doch immer zugweise unter dem Kommando eines rotfratzigen Unteroffiziers
marschierten.
Der Seemann beriet sich mit den Käuern und faßte schließlich einen Plan. Ihm war
eingefallen, daß er früher das Lasso wie ein Cowboy zu handhaben wußte.
Kurz vor Sonnenuntergang meldete sich bei Kabr Gwin, der auf dem Gut von Prem Kokus
lebte, ein Käuer und bat um ein Gespräch unter vier Augen.
„Verehrtester Herr Statthalter!” sagte er leise. „Hört uns auch niemand? Ich will Euch
nämlich ein großes Geheimnis verraten!”
„Sprich!”
„Ich habe herausbekommen, daß ein reicher Kaufmann einen Sack mit Gold in seinem
Haus versteckt hält …”
Kabr Gwins Augen funkelten gierig.
„Wo wohnt der Kaufmann?”
„Verehrter Herr, für die Anzeige gebührt mir aber der zehnte Teil …”
„Den sollst du haben”, knurrte Kabr. „Morgen führst du uns in das Haus.”
„Verehrter Herr Statthalter, der besagte Kaufmann beabsichtigt, den Schatz heute nacht im
Wald zu vergraben…”
„So? Dann gehen wir gleich hin.”
Binnen wenigen Minuten war ein Zug Soldaten zusammengestellt, der sich in folgender
Ordnung bewegte: Vornan der Unteroffizier, der den Käuer fest bei der Hand hielt, hinter
ihm die Holzköpfe und als letzter der Statthalter.
Nach einer halben Stunde bog der Zug von der Landstraße auf einen schmalen Pfad ab, wo
man nur hintereinander gehen konnte, und kam an einen schmalen Fluß, über den ein
Baumstamm gelegt war. Der Unteroffizier ließ den Käuer vorangehen. Am anderen Ufer
machte der Pfad eine scharfe Biegung nach rechts und fiel dann steil zu einer Wiese ab, die
von Bäumen umstanden war.
Obwohl der Baumstamm sehr schlüpfrig war, lief der Käuer schnell hinüber, während der
Unteroffizier vorsichtig einen Holzfuß vor den anderen setzte. Als er auf die Wiese kam,
war der Käuer verschwunden. Er öffnete schon den Mund, um ihn zu rufen, da schoß aus
dem Gebüs ch das Lasso hervor, legte sich dem Unteroffizier um den Kopf und riß ihn zu
Boden. Der Mann kugelte die Böschung hinab, wobei er seinen Säbel verlor.
Im gleichen Augenblick sprangen mehrere Käuer aus den Büschen, packten den Holzkopf
und schleppten ihn in den Wald. Damit das Schellengeläut sie nicht verrate, hatten sie
vorsorglich ihre Hüte abgenommen. Sie gingen so geschickt zu Werke, daß der Unteroffizier gar nicht dazukam, einen Schrei auszustoßen.
Der Seemann aber hielt bereits ein anderes Lasso bereit, und als der nächste Holzkopf auf
der Wiese erschien, wirbelte es durch die Luft und riß ihn nieder. Bald lag auch er gefesselt
vor den Käuern.
In zehn Minuten war das Unternehmen beendet. Als der ahnungslose Kabr Gwin über den
Baumstamm ging, trat ihm der Seemann entgegen, schaute ihn aus seiner Riesenhöhe
spöttisch an und sagte:
„Ihre Stunde hat geschlagen, Herr ehemaliger Statthalter. Geben Sie mir Ihren Dolch,
damit Sie sich, Gott behüte, aus Versehen nicht in den Finger schneiden!”
Dem Statthalter traten vor Entsetzen die Augen aus den Höhlen.
„Holzköpfe! Hilfe! Hilfe!” schrie er gellend.
„Sie können sich das Geschrei ersparen. Ihre Soldaten sind gefangen.”
Kabr sah, daß jeder Widerstand vergeblich war, und fügte sich in sein Schicksal.
Am nächsten Morgen wurde er vor Gericht gestellt. Die Verhandlung fand auf dem Gut
von Prem Kokus statt, der wieder zum Herrscher des Landes eingesetzt worden war. Auf
dem weiten Hof hatten sich Hunderte Männer und Frauen versammelt.
Manche Käuer waren so erbittert, daß sie die Todesstrafe für den Verräter forderten,
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