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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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Krankenhaus misstraut habe. Trotz allem hast du es gewagt, mich allein zu lassen. Das werde ich dir nie verzeihen!«
    Bedrückt griff Hussein nach meiner Hand.
    »Ich wusste ja, dass du in diesem Militärkrankenhaus in guten Händen bist.«
    »Militärkrankenhaus oder nicht, man hätte mich umbringen können! Ich hatte solche Angst, hier zu sterben und meine Kinder allein zurückzulassen.«
    Dieser Satz war zu einer Litanei geworden, die mein Mann nur zu gut kannte.
    »Ich weiß, Samia. Erinnere dich an mein Versprechen: Ich werde dich und deine Kinder schützen. Das schwöre ich dir hier noch einmal!«
    Hussein war begierig, seine Zwillinge im Neugeborenenzimmer zu sehen. Als er wiederkam, kannte seine Bewunderung keine Grenzen.
    »Wenn du sehen könntest, wie schön alle beide sind! Sie schlafen Seite an Seite, und der Größere – wir wollten ihn ja Ryan nennen – hatte seine Hand auf die Wange von Elias gelegt. Sie sind einfach wundervoll. Danke, Samia! Du hast mich überglücklich gemacht!«
    Er küsste mich auf die Stirn.
    »Du brauchst mir nicht zu danken, Hussein, denn diese Jungen sind ein Geschenk Gottes. Ich habe nichts dazu beigetragen!«
    Als ich diese Worte aussprach, tauchte eine Erinnerung aus der Vergangenheit vor mir auf. Nur weil ich ein Mädchen war, hatte meine Mutter in mir ein vergiftetes Geschenk des Teufels gesehen! Diese Erinnerung verstörte mich zutiefst. Gerne hätte ich mit meinem Mann darüber gesprochen, doch jetzt war nicht der richtige Augenblick dafür. Außerdem war Hussein nicht verantwortlich für meine leidvolle Kindheit.
    Beglückt ging mein Mann nach Hause, und ich ruhte mich aus.
    Ich war hart zu ihm gewesen, aber ich hatte ihm einfach klarmachen müssen, in welcher Verzweiflung er mich allein gelassen hatte. Hätte ich meinen Groll für mich behalten, hätte ich sein Verhalten niemals vergessen können.
    Bevor ich einschlief, befiel mich ein unbestimmtes Gefühl der Ohnmacht: War ich tatsächlich in der Lage, vier Kinder zu beschützen und eines Tages aus diesem Land fortzubringen? Die Müdigkeit übermannte mich und nahm alle Sorgen von mir …
    Am nächsten Morgen brachte Hussein Norah und Melissa mit, die mich sehen und ihre kleinen Brüder kennenlernen wollten.
    »Sie sind so süß! Und so zerbrechlich!«, rief Norah aus.
    »Der hier ist Ryan und der dort Elias, nicht wahr?«, riet Melissa.
    »Genau! Man könnte meinen, du kennst sie schon!«
    Dann fragte ich Norah:
    »Ist daheim alles in Ordnung?«
    Ich fing den raschen Blick auf, den sie meinem Mann zuwarf. Beharrlich verlangte ich eine Antwort auf meine Frage.
    »Wir haben wieder Drohanrufe von einem Mann erhalten.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Dass dein Glück mit dem Baby nicht lange währen würde. Ich habe geantwortet, dass dein Glück sogar gleich doppelt sei, da du zwei Kinder bekommen hättest und sehr glücklich wärst. Er erwiderte, dein Glück würde nicht von Dauer sein, da dein Leben bald zu Ende wäre.«
    Ich fasste nach Norahs Hand und streichelte sie sanft.
    »Kümmere dich nicht um die Worte dieses Verrückten. Obwohl wir schon eine ganze Weile Drohungen erhalten, sind wir noch nie Opfer einer Gewalttat geworden. Das beweist doch, dass man uns nur Angst einjagen will. Ihre Worte sind so aggressiv, weil sie uns sonst nichts anhaben können!«
    »Ich hätte dir das nicht erzählen sollen, Mama. Ich wollte deine Freude nicht trüben.«
    »Das bekümmert mich nicht, Norah. Zumindest nicht mehr so sehr wie früher. Ich bin immer besser gegen solche Dinge gewappnet. Könntest du den Arzt um meine Entlassung bitten, Hussein? Ich würde so gerne mit euch nach Hause gehen.«
    »Ist das nicht zu früh? Wer wird dir helfen, sich um die Kinder kümmern, wenn du das Krankenhaus jetzt schon verlässt?«
    »Norah kann mir zur Hand gehen, und die Nachbarin wird kommen, sooft sie kann. Ich will nach Hause, bitte …«
    Ich stillte meine Kinder abwechselnd, während mein Mann den Arzt suchte.
    Man erlaubte mir zu gehen, aber ich musste versprechen, in drei Tagen wiederzukommen, damit die Fäden gezogen werden konnten.
    Meine Töchter und mein Mann halfen mir beim Packen. Wie glücklich war ich, wieder nach Hause zu kommen! Mir war leicht zumute, was vor allem auch an meinem Körper lag:zwei Babys weniger! Außerdem fühlte ich mich jetzt dazu bereit, die ungelösten Probleme in Angriff zu nehmen. Ich wollte endlich handeln!
    In den folgenden Monaten des Jahres 1996 widmete ich meine gesamte Zeit den Zwillingen und

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