Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schlittenmacher

Der Schlittenmacher

Titel: Der Schlittenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Norman
Vom Netzwerk:
brauchte ich meinen Schlaf. Ich hab sie gefragt, wie viel Foxtrott man in einer Stunde lernen kann. ›Einiges, wie sich gezeigt hat‹, sagte sie ein wenig schnippisch. Wir aßen im Hotel zu Abend und hatten nichts Besonderes vor. Das Kino lag nur drei Blocks vom Hotel entfernt. Ich weiß wirklich nicht, warum wir nicht rübergegangen sind und uns einen Film angesehen haben.«
    Ich spürte irgendwie, dass dieses wehmütige Zurückblicken
nur eine kurze Phase der Ruhe bei ihm war. Sie würde nicht lange anhalten.
    »Onkel Donald, können sie Tante Constances Koffer zurückschicken? « Ich weiß auch nicht, warum ich das sagte, aber es war das Einzige, was mir einfiel.
    »Also, Wyatt, das ist wirklich ein Glück in dem Ganzen«, meinte er. »Der Assistent von Navy Secretary Macdonald hat mir nämlich versprochen, dass der Schrankkoffer mit dem Bus hier ankommen wird.«
    »Ein Andenken«, sagte ich. »Für Tilda.«
    »Ich glaube, ich geh jetzt am besten rüber in meine Werkstatt. Ich werde ein paar Bretter schmirgeln. Dabei kann ich gut nachdenken. Außerdem hab ich ja mein Radio drüben, wie du weißt.«
    »Ich würde auch gern bei dir arbeiten, Onkel Donald.«
    »Weißt du, was ich glaube? Es ist möglich, dass meine Constance in alle Ewigkeit nicht gefunden wird. Ich meine, wir sollten heute Abend die Familie zusammentrommeln. Kannst du Tilda und ihren Mann für mich einladen?«
    »Onkel Donald«, sagte ich, »weißt du, was Hans Mohring gemacht hat? Er hat aus eigener Tasche ein neues Exemplar von fast allen Grammofonplatten gekauft, die du zerbrochen hast. Er hat sie im Ballade & Fugue gekauft.«
    »In dem deutschen Schallplattenladen?«
    »Nein, Sir, das stimmt nicht – lies doch in dem Zeitungsartikel nach, Onkel Donald. Der Inhaber des Geschäfts, den diese RCN-Typen zusammengeschlagen haben, heißt Randall Webb und ist kein Deutscher.«
    »Aber er hat sich mit ihnen abgegeben.«
    »Du magst Beethoven – und Randall mag Beethoven … «, erwiderte ich. »Onkel Donald, bitte hör zu, was ich dir zu sagen
habe. Das Wichtige ist, dass Hans die einzelnen Stücke zusammengeklebt hat, um herauszufinden, welche Platten es waren. Vielleicht wollte er irgendwie auch Tante Constance damit eine Freude machen. Aber er hat ausdrücklich gesagt, dass er’s getan hat, um die Dinge mit dir ins Reine zu bringen.«
    »Wo sind diese Grammofonplatten?«
    »In der Wohnung, wo er mit Tilda lebt.«
    »Nun, ich sehe jetzt manches ein bisschen anders. Also gut, Hans Mohring kommt mit den Schallplatten, um die Dinge ins Reine zu bringen. Und Tilda sollte auch dabei sein. Ihre Mutter ist nicht mehr da, Wyatt.«
    »Tilda weiß es noch nicht. Sie hat auf eine Nachricht gewartet, so wie du. Sie weiß nicht, dass Secretary Macdonald angerufen hat.«
    »Weißt du, was das Beste ist, das ich für Tilda tun kann, nachdem sie gerade erst geheiratet hat? Ich sollte meinem Schwiegersohn den Kopf geraderücken. Vielleicht sollten er und Tilda nach Montreal gehen. Oder sonst wohin. Abwarten, bis der Krieg aus ist, und er könnte sagen, sein Akzent sei schwedisch oder dänisch. Du hast ja gehört, was sie im Radio gesagt haben – dass heroische Maßnahmen notwendig sind. Ich glaube, es ist meine Pflicht als Schwiegervater, ihn darauf hinzuweisen, dass Deutsche momentan gefährlich leben in Neuschottland. Siehst du, dann ist es ein Geben und Nehmen. Er gibt mir die Grammofonplatten … ich sag Danke und gebe ihm einen vernünftigen Rat.«
    Ich fuhr gleich zur Bäckerei und ging direkt nach oben. Hans und Tilda waren gerade dabei, ihre Koffer zu packen.
    »Navy Secretary Macdonald hat gerade Donald angerufen«, berichtete ich. »Tante Constance kommt nicht mehr heim.«
    »Ich hab’s gewusst«, sagte Tilda. »Tief in mir drin hab ich’s
gewusst.« Sie und Hans umarmten sich, aber Tilda löste sich abrupt von ihm. »Ich muss zu meinem Vater.«
    »Ja, er ist jetzt Witwer«, warf Hans ein.
    »Er will dich auch sehen, Tilda«, sagte ich. »Ja, er möchte, dass wir alle heute Abend rüberkommen, du und ich und Hans. Hans soll die Grammofonplatten mitbringen.«
    »Du hast es ihm erzählt?«, fragte Hans.
    »Ich hab ihm gesagt, warum du sie gekauft hast, Hans.«
    »Wir nehmen den ersten Bus morgen früh«, sagte Tilda. »Es ist am besten so.«
    »Warum?«, fragte ich. »Wie meinst du das – am besten?«
    »Die Leute in Middle Economy sind gute, freundliche Leute, im Großen und Ganzen. Aber sie kennen Hans nicht.«
    »Dafür lebt er auch noch nicht lang

Weitere Kostenlose Bücher