Der Schlitzer
Fliege zurecht. »Das ist nun wirklich nicht mehr mein Problem.«
Womit er völlig richtig lag, denn darum mußten wir uns kümmern. Ich wandte mich noch einmal an Shelly Wagner. »Jetzt, wo das Bild so gut wie perfekt ist, könnten Sie da sagen, ob Sie den Mann kennen oder nicht?« Ich wußte selbst, wie hypothetisch diese Frage war, sie glich auch mehr einem Hoffnungsschimmer, doch ich hatte nicht danebengegriffen, denn Shelly nickte. »Haben Sie das?«
Sie starrte ins Leere und nagte nachdenklich auf ihrer Unterlippe.
»Gedanken habe ich mir darüber schon gemacht, Mr. Sinclair, aber ich weiß es nicht so genau.«
»Das müssen Sie mir erklären.«
Sie hob die Schultern. »Komischerweise meine ich schon, ihn einmal außerhalb des Friedhofs gesehen zu haben.«
Diese Antwort elektrisierte uns. Jetzt schauten auch Suko und Bill sehr gespannt. »Wo denn?«
»Tut mir leid, keine Ahnung.«
Ich ließ trotzdem nicht locker. »War es ein beruflicher oder ein privater Kreis?«
Sie war verunsichert, lachte auch so und flüsterte: »Mr. Sinclair, das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Es liegt alles in der Schwebe.«
Ich spann den Faden weiter und wandte mich an Bill Conolly.
»Du hast ihn doch auch gesehen. Kommt er dir nicht bekannt vor?«
Beinahe böse schaute Bill aus der Wäsche. »Wie kommst du ausgerechnet auf mich?«
»Ganz einfach. Du lebst in der Nähe unserer Zeugin. Der Friedhof liegt nicht weit von euren Wohnungen entfernt. Da kommen doch zwei Dinge zusammen. Deshalb wäre es möglich, wenn dir der Schlitzer schon über den Weg gelaufen ist.«
Bill nickte. »Nicht schlecht gedacht. Ich habe mich schon damit beschäftigt, aber es tut mir leid. Dieser Mann ist mir nicht bewußt über den Weg gelaufen. Dazu muß ich sagen, daß es keine erhebende Vorstellung ist, wenn man in der Nähe einer derartigen Bestie lebt. Aber das ist noch eine Hypothese.«
»Da hast du recht.«
Jack Norman räusperte sich und zupfte abermals seine Fliege zurecht.
»Wie dem auch sei, mehr kann ich für Sie nicht tun. Wir haben das Optimale erreicht.«
»Das denke ich auch«, murmelte ich.
»Darf ich mich dann verabschieden?« fragte er steif und schaute bereits durch eine Glasscheibe in den Nebenraum, von wo man ihm heftig zuwinkte. »Man braucht mich.«
Wir erhoben uns. »Danke«, sagte ich und reichte ihm die Hand. »Sie haben uns sehr geholfen.«
»Das freut mich. Und finden Sie den Killer. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie ihn haben?«
»Das tun wir gern.«
Er ging und ließ uns allein. Wir hatten hier auch nichts mehr zu suchen und verließen die unterirdische Welt. Im Lift stand Shelly Wagner neben mir. »Ich überlege schon die ganze Zeit. Ich denke doch, daß ich ihn kenne.«
Wir stiegen in der Eingangshalle aus, wo die Frau ihren Mantel überstreifte. »Nicht nur vom Friedhof her?« vergewisserte sich Suko noch einmal.
»Richtig.«
»Kennen Sie ihn denn näher? Haben Sie schon einmal mit dem Mann geredet?«
»Nein, bestimmt nicht.« Sie starrte zu Boden. »Aber als ich das Bild sah, da wußte ich plötzlich Bescheid. Es gibt diesen Mann. Und ich habe das Gefühl, als würde es ihn nicht nur einmal, sondern zweimal geben.« Sie mußte über ihre eigenen Worte lachen und schüttelte den Kopf. »Aber das ist so, glauben Sie mir.«
»Und weiter?«
Sie hob bedauernd die Schultern. »Was glauben Sie, Mr. Sinclair, wie gern ich Ihnen helfen würde. Aber ich stehe vor einer Wand, durch die ich nicht kann. Es gibt einfach keinen Weg. Die Wand ist gleichzeitig eine Scheuklappe, und die muß ich erst wegreißen. Wenn mir das gelingt, bin ich Ihnen eine große Hilfe.«
»Wo wohnen Sie genau?«
Auf einen kleinen Zettel schrieb sie ihre Adresse. Das Haus lag wirklich nicht weit von dem der Conollys entfernt. Ich sah Bills Nicken und wollte ihn nach Details fragen, doch er kam mir zuvor.
»Es ist ein relativ neues Haus und steht erst vier Jahre. Aber eins, in dem mehrere Mieter leben.«
»Sechs Parteien«, sagte Shelly.
»Wo wohnen Sie?«
»Parterre, Mr. Sinclair.«
»Gibt es einen Garten?«
»Ja, unser Haus steht in einem kleinen Park. Die Wohnlage ist ideal, allerdings auch teuer. Die kleine Wohnung gehört mir übrigens. Mein Vater hat sie mir finanziert.«
»Was machen Sie beruflich, wenn ich fragen darf?«
»Ich bin selbständig. Schlage mich als Grafikerin und als Fotografin durch. Deshalb konnte ich die Qualität des Bildes ja auch beurteilen. Sie war wirklich außergewöhnlich gut.«
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