Der Schlitzer
sich der Kaffeefleck aus. Auf seiner Oberfläche spiegelte sich das Licht der Dekkenleuchte, und Shelly sah es an wie einen Funken der Hoffnung.
Sie holte einen sauberen Putzlappen und wischte den Kaffeerest auf. Ihre Überlegungen aber stoppten nicht. Auch jetzt dachte sie darüber nach, wie es weitergehen konnte, doch zu einem Ergebnis kam sie nicht. Alles drehte sich gedanklich in ihrem Kopf. Sie stand am Fenster, schaute gegen die Garagenwand und sah, daß der Platz davor von einem Scheinwerferpaar erhellt wurde. Einer der Mieter kam von der Arbeit zurück.
Shelly lächelte. Es tat ihr einfach gut, dies zu sehen und gleichzeitig zu wissen, daß sie nicht die einzige Person in diesem Haus war, obwohl es ihr manchmal so vorkam.
Tief atmete sie aus.
Der Mann fuhr seinen Wagen in die Garage, verließ sie wieder, schloß das Tor und ging ins Haus. Shelly drehte sich um.
In der Küche war für sie nicht der richtige Platz, deshalb ging sie zurück in ihr Arbeitszimmer und nahm hinter ihrem weißen Schreibtisch Platz. Auf ihm verteilten sich zahlreiche Papiere — Angebote, Rechnungen, Skizzen und Entwürfe. Dabei fiel ihr Blick auf einen Hochglanzprospekt, der ihr von einem Hotel in Paris zugeschickt worden war. Shelly sah ihn, und schon hatte sie die Idee!
Ein Hotel war die Lösung.
Sie würde sich für ein oder zwei Nächte in einem Londoner Hotel einmieten und für niemanden zu finden sein.
Auch nicht für den Schlitzer!
Als sie daran dachte, entspannte sie sich ein wenig. Shelly streckte die Beine aus, schloß die Augen und gratulierte sich innerlich zu diesem hervorragenden Entschluß.
Es war ihr egal, welches Hotel sie nahm, Hauptsache, es lag in der Innenstadt, weit genug von ihrer eigenen Wohnung entfernt. Dorthin würde ihr die Gefahr wohl kaum folgen.
Beruhigt strich sie durch das blonde Haar, drückte noch einmal die Finger gegen die Augen, suchte nach irgendwelchen Fehlerquellen bei ihrem Gedankengang, fand keine und schob schließlich den Stuhl zurück, um sich zu erheben.
Shelly spürte sogar einen leichten Schwindel. Da sie nichts mit dem Kreislauf hatte, mußte es wohl an ihrem inneren Zustand liegen. Der Schwindel war bald verschwunden, und Shelly schlug den Weg zum Schlafzimmer ein.
Das Licht hatte sie angelassen. Nur keine Dunkelheit, die sie immer an Stunden ohne Hoffnung erinnerte. Viel Gepäck brauchte sie nicht, und kurz hinter der Tür blieb sie stehen, um den Blick über ihr Bett gleiten zu lassen. Sie hatte plötzlich das Gefühl, Abschied zu nehmen, und mußte mit den Tränen kämpfen. Hart schluckte sie den Kloß hinunter, konzentrierte sich auf das Wesentliche.
Viel Gepäck benötigte Shelly nicht. Ein kleiner Koffer und eine Kosmetiktasche mußten ausreichen. Die Tasche holte sie aus dem Bad, blieb auch in diesem Raum stehen und kämpfte gegen die Tränen. Es war furchtbar für Shelly Wagner, der Druck nahm ständig zu, als wäre die Gefahr schon längst da, ohne daß sie jedoch von Shelly bemerkt worden wäre. Mit einem Handtuch wischte sie ihre schweißfeuchte Stirn trokken und rieb auch über die Wangen. Sie verließ das Bad und holte aus dem Schlafzimmerschrank den schmalen Koffer.
Auf dem Bett öffnete sie ihn. Die Schiebetüren des Schranks drückte sie in verschiedene Richtungen. Rechts hing die Winterkleidung, darüber, wohlgeordnet in Fächern, lagen die Dessous.
Sie wollte hinfassen, ihre Hand berührte schon die seidige Spitze, als sie erstarrte.
Shelly hatte etwas gehört!
Ein Geräusch vielleicht. Möglicherweise in ihrer Wohnung oder auch in einer anderen. Möglicherweise war eine Tür im Durchzug zugeschlagen. Jeder fremde Laut drückte bei Shelly die Angst wieder hoch und brachte die Erinnerungen an den Schlitzer zurück. Die Bestie lauerte, sie wartete auf den günstigen Zeitpunkt, und Shelly wußte, daß sie nichts tun konnte, als zu warten und sich immer wieder die schweißfeuchten Hände an ihrer Kleidung abzuwischen. Es rührte sich nichts.
Sie hörte ihren eigenen Atem. Plötzlich zerrte auch die Stille an ihren Nerven. Die Frau empfand es sogar als schlimm, daß sie nichts hörte. Dieses Nichtwissen machte sie noch verrückt.
Sie schaute auf den Koffer.
Er war offen und leer, wartete darauf, gefüllt zu werden, nur traute sich Shelly nicht. Ihre Hand rutschte zwar aus dem Fach nach unten, zu einer weiteren Bewegung war sie momentan nicht fähig. Sie konzentrierte sich einzig und allein auf ihre Angst, die wie eine Würgeschlinge ihre Kehle
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