Der Schlüssel zu Rebecca
tatsächlich wie umgewandelt: Ihr Haar lag makellos, das Gesicht war geschickt geschminkt, sie trug ein hauchdünnes, kirschrotes Kleid und dazu passende Schuhe. Ein paar Minuten später hörte man Schritte auf dem Steg, und jemand klopfte an die Luke. Sonjas Taxi war eingetroffen. Sie trank ihr Glas aus und verließ das Boot. Die beiden verabschiedeten sich nicht voneinander.
Wolff näherte sich dem Schrank, in dem er sein Funkgerät aufbewahrte. Er holte den englischen Roman und das Blatt Papier mit dem Codeschlüssel hervor und studierte das System. Es war der 28. Mai. Er mußte 42 – die Jahreszahl – zu 28 hinzuzählen, um die Seitenzahl des Romans zu erhalten, mit der seine Botschaft zu verschlüsseln war. Im Mai, dem fünften Monat des Jahres, mußte jeder fünfte Buchstabe auf der Seite übergangen werden.
Er wollte senden: HABE ZIELORT ERREICHT. ERSTE MELDUNG. BESTÄTIGEN. Er begann oben auf Seite 70 des Buches und suchte den Buchstaben H. Es war der zehnte, wenn man jedes fünfte Zeichen ausließ. In diesem Code würde er deshalb durch den zehnten Buchstaben des Alphabets – J – repräsentiert werden. Als nächstes benötigte er ein A. In dem Buch war es der dritte Buchstabe nach dem H. Das A von HABE würde also durch den dritten Buchstaben des Alphabets – C – verschlüsselt werden. Spezielle Methoden dienten dazu, seltene Buchstaben, zum Beispiel X, wiederzugeben.
Diese Art Code war eine Variation des einmal verwendbaren Tauschverfahrens, des einzigen Codes, der in Theorie und Praxis nicht zu brechen war. Um die Botschaft zudechiffrieren, mußte ein Zuhörer sowohl das Buch als auch den Schlüssel haben.
Als er seine Botschaft chiffriert hatte, blickte er auf die Uhr. Er sollte um Mitternacht senden. Damit blieben ihm noch zwei Stunden, bis das Gerät sich warmlaufen mußte. Er schenkte sich ein weiteres Glas Champagner ein und beschloß, den Kaviar aufzuessen. Nachdem er einen Löffel gefunden hatte, nahm er das Glas. Es war leer. Sonja hatte nichts übriggelassen.
*
Die Runway war ein Wüstenstreifen, den man hastig von Kameldorn und größeren Steinen gesäubert hatte. Rommel schaute nach unten, während der Boden ihm entgegenkam. Der Fieseler Storch – das bewährte leichte Aufklärungs- und Verbindungsflugzeug des Zweiten Weltkriegs – landete wie eine Fliege mit Rädern. Das Flugzeug hielt an, und Rommel sprang heraus.
Zuerst schlug ihm die Hitze entgegen, dann der Staub. Oben, in der Luft, war es relativ kühl gewesen; nun hatte er das Gefühl, einen Hochofen zu betreten. Er fing an zu schwitzen. Sobald er einatmete, legte sich eine dünne Sandschicht über seine Lippen und seine Zungenspitze. Eine Fliege ließ sich auf seiner großen Nase nieder, er scheuchte sie fort.
Von Mellenthin, Rommels Nachrichtenoffizier, rannte über den Sand auf ihn zu; seine hohen Stiefel wirbelten Staubwolken auf. »Kesselring ist hier«, sagte er aufgeregt.
»Auch das noch«, knurrte Rommel.
Kesselring, der lächelnde Feldmarschall, stand für alles, was Rommel in den deutschen Streitkräften verabscheute. Er war Generalstabsoffizier, und Rommel haßte den Generalstab; er war einer der Begründer der Luftwaffe, die Rommel im Wüstenkrieg so oft im Stich gelassen hatte; und – das schlimmste – er war ein Snob. Eine seiner beißendenBemerkungen war Rommel zugetragen worden. Kesselring hatte sich beklagt, daß Rommel zu barsch mit den ihm untergebenen Offizieren umspringe, und erklärt: »Man könnte vielleicht mit ihm darüber sprechen, wenn er nicht aus Württemberg stammte.« Diese Bemerkung war typisch für die Vorurteile, die Rommel während seiner ganzen Karriere zu bekämpfen hatte.
Von Mellenthin hinter sich, stapfte er durch den Sand zum Befehlswagen. »Wir haben General Cruewell gefangengenommen«, sagte von Mellenthin. »Ich mußte Kesselring bitten, das Kommando zu übernehmen. Er hat den ganzen Nachmittag versucht herauszufinden, wo Sie waren.«
»Noch schlimmer«, antwortete Rommel mürrisch.
Sie stiegen hinten in das Befehlsfahrzeug, einen riesigen Lastwagen. Der Schatten war willkommen. Kesselring hatte sich über eine Karte gebeugt und wedelte Fliegen mit der linken Hand fort, während er mit der rechten einer Linie folgte. Er blickte auf und lächelte. »Mein lieber Rommel, Gott sei Dank, daß Sie zurück sind«, sagte er mit sanfter Stimme.
Rommel nahm die Mütze ab. »Ich habe eine Schlacht geschlagen«, grunzte er.
»Das habe ich gehört. Was ist
Weitere Kostenlose Bücher