Der Schlüssel zu Rebecca
ein guter Schauspieler.«
»Ja«, erwiderte er. »Auf Wiedersehen.«
Vandam drehte sich um und durchquerte den Flur mit zügigen Schritten. Im Grunde hätte er mit dem Ergebnis dieses Abends zufrieden sein können, doch stattdessen kam es ihm vor, als habe er etwas Unanständiges getan. Er hörte, wie die Tür ihrer Wohnung laut zufiel.
*
Elene lehnte sich mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür und verfluchte William Vandam.
Er war, voll englischer Höflichkeit, in ihr Leben getreten, hatte sie aufgefordert, etwas Neues zu tun und zum Gewinn des Krieges beizutragen; und nun schickte er sie wieder auf den Strich.
Sie hatte wirklich geglaubt, daß er ihr Leben ändern werde. Nie wieder reiche Geschäftsleute, nie wieder heimliche Affären, nie wieder Arbeit als Tänzerin oder Kellnerin. Sie hatte eine lohnende Aufgabe, etwas, von dem sie überzeugt war, etwas, auf das es ankam. Nun stellte sich heraus, daß es dasselbe alte Spiel war.
Seit sieben Jahren hatte sie von ihrem Gesicht und ihrem Körper gelebt, und jetzt wollte sie damit aufhören.
Elene ging in ihr Wohnzimmer, um etwas zu trinken. Sein Glas stand halbleer auf dem Tisch. Sie setzte es an die Lippen. Das Getränk war warm und bitter.
Zuerst hatte Vandam ihr nicht gefallen; er hatte steif, ernst und langweilig gewirkt. Dann hatte sie ihre Meinung über ihn geändert. Wann war ihr zum erstenmal der Gedanke gekommen, daß sich unter dem strengen Äußeren ein ganz anderer Mann verbarg? Es fiel ihr ein: als er lachte. Dieses Lachen hatte sie fasziniert. Das gleiche war heute abend geschehen, nachdem sie bemerkt hatte, daß sie Wolff eine Zuckertüte über den Kopf schlagen werde. Tief in seinem Inneren versteckte sich ungekünstelte Heiterkeit, die, wenn sie geweckt wurde, für einen Moment seine ganze Persönlichkeit beherrschen konnte. Sie vermutete, daß er sehr lebenslustig war; doch er schien diese Lebenslust gut unterKontrolle zu haben, zu gut. Elene wollte Vandam aufrütteln, dafür sorgen, daß er zu sich selbst fand. Deshalb hatte sie versucht, ihn wieder zum Lachen zu bringen.
Sie war seltsam glücklich gewesen, als er auf ihrer Couch saß, rauchte und mit ihr redete. Sie hatte sogar daran gedacht, wie schön es wäre, mit diesem starken, ernsthaften Mann ins Bett zu gehen und ihm Dinge zu zeigen, von denen er vielleicht nur geträumt hatte. Weshalb gefiel er ihr? Lag es daran, daß er sie ernst nahm und nicht wie ein kleines Mädchen behandelte? Sie wußte, daß er nie ihre Hüften tätscheln und sagen würde: »Zerbrich dir nicht deinen hübschen kleinen Kopf ...«
Aber nun hatte er alles verdorben. Warum machte diese Sache mit Wolff ihr so zu schaffen? Eine Affäre mehr oder weniger würde ihr nicht schaden. Das hatte auch Vandam ziemlich deutlich zum Ausdruck gebracht. Kein Zweifel: Er betrachtete sie als Hure. Deshalb war sie so wütend. Sie wollte seine Achtung, und als er sie bat, sich mit Wolff »anzufreunden«, hatte sie gewußt, daß sie dieses Ziel nie erreichen konnte. Überhaupt war alles aussichtslos: Die Beziehung zwischen einer Frau wie ihr, und einem englischen Offizier war dazu verurteilt, sich wie alle ihre Affären zu entwickeln – einerseits Manipulation, andererseits Abhängigkeit und nirgendwo Achtung. Vandam würde sie immer als Hure ansehen. Eine Zeitlang hatte sie geglaubt, daß er sich von den anderen unterscheiden könne, aber sie hatte sich geirrt. Sie dachte: Aber weshalb macht es mir so viel aus?
*
Vandam saß mitten in der Nacht an seinem Schlafzimmerfenster, rauchte Zigaretten und blickte auf den vom Mond beleuchteten Nil hinaus, als ihm plötzlich eine deutliche Erinnerung an seine Kindheit durch den Kopf ging.
Er ist elf Jahre alt, von sexueller Unschuld, körperlich immer noch ein Kind. Der Schauplatz ist das graue terrassenförmige Ziegelhaus, in dem er seit seiner Geburt gewohnt hat. Das Haus hat ein Badezimmer, dessen Wasser durch das Kohlefeuer in der Küche darunter geheizt wird. Man hat ihm gesagt, daß dies ein Glück für seine Familie sei und er nicht damit prahlen dürfe; wenn er die neue Schule, die piekfeine Schule in Bournemouth, besucht, soll er so tun, als sei es vollkommen normal, ein Badezimmer und fließendes heißes Wasser zu haben. In dem Badezimmer ist auch ein Wasserklosett. Dorthin geht er jetzt, um Pipi zu machen. Seine Mutter badet gerade seine Schwester, die sieben Jahre alt ist, aber sie werden nichts dagegen haben, wenn er hereinkommt; es ist auch vorher
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