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Der Schlüssel zu Rebecca

Der Schlüssel zu Rebecca

Titel: Der Schlüssel zu Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Sonne ließ ihre Haut schimmern, ihre Arme und Beine waren glatt und sanft. Wahrscheinlich war sie im Bett nicht anders als jetzt: entspannt, amüsant und zu allem bereit. Zum Teufel. Sie hatte schon beim letztenmal diese Wirkung auf ihn gehabt, und er war auf eine seiner seltenen Sauftouren gezogen und hatte sich in einem elenden Bordell wiedergefunden.
    »Woran denken Sie?« fragte Elene.
    »An Spionage.«
    Sie lachte. Irgendwie schien sie zu ahnen, daß er gelogen hatte. »Sie müssen Ihren Beruf lieben.«
    Vandam dachte: Wie macht sie das nur? Mit ihrem Spottund ihrem Scharfsinn, dem unschuldigen Gesicht und den langen braunen Gliedern brachte sie ihn ständig aus dem Gleichgewicht. »Ich liebe meinen Beruf nicht, aber Spione zu fangen, kann sehr befriedigend sein.«
    »Was geschieht mit ihnen, wenn Sie sie gefangen haben?«
    »Gewöhnlich werden sie aufgehängt.«
    »Oh.«
    Endlich war es ihm einmal gelungen, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie schauderte.
    »Verlierer überleben einen Krieg nur selten.«
    »Lieben Sie Ihren Beruf deshalb nicht – weil sie aufgehängt werden?«
    »Nein. Ich liebe ihn nicht, weil ich sie nicht immer fange.«
    »Sind Sie stolz darauf, so hart zu sein?«
    »Ich glaube nicht, daß ich hart bin. Wir versuchen, mehr von ihnen zu töten als sie von uns.« Er dachte: Wieso muß ich mich plötzlich verteidigen?
    Sie stand auf, um ihm einen weiteren Drink einzuschenken. Vandam beobachtete sie, während sie das Zimmer durchquerte. Sie bewegte sich anmutig wie eine Katze, nein, wie ein Kätzchen. Er betrachtete ihren Rücken, als sie sich vorbeugte, um nach dem Cocktailshaker zu greifen, und fragte sich, was sie unter dem gelben Kleid anhatte. Während sie das Getränk eingoß, fielen ihm ihre Hände auf: Sie waren schlank und kräftig. Elene selbst verzichtete auf einen weiteren Martini. Aus was für einer Familie mochte sie stammen? Er fragte: »Leben Ihre Eltern noch?«
    »Nein«, erwiderte sie schroff.
    »Tut mir leid.« Er wußte, daß sie gelogen hatte.
    »Weshalb haben Sie mich danach gefragt.«
    »Reine Neugier. Bitte, entschuldigen Sie.«
    Sie lehnte sich zu ihm und berührte seinen Arm; ihre Fingerspitzen strichen sanft über seine Haut. »Sie entschuldigen sich zuviel.« Elene wandte den Blick ab, alszögere sie; dann schien sie sich zu überwinden und begann, ihm von ihrer Familie zu erzählen.
    Sie war das älteste von fünf Kindern in einer bitterarmen Familie gewesen. Ihre Eltern waren kultiviert und liebevoll. »Mein Großvater hat mir Englisch beigebracht, und meine Mutter hat mich gelehrt, saubere Kleidung zu tragen«, sagte sie. Ihr Vater, Schneider von Beruf und ein äußerst orthodoxer Jude, lag mit der jüdischen Gemeinde von Alexandria im Streit. Als Elene fünfzehn Jahre alt war, begann er zu erblinden. Er konnte nicht mehr als Schneider arbeiten, aber er weigerte sich, die, wie er sagte »abtrünnigen« Juden von Alexandria um Hilfe zu bitten. Elene zog als Zimmermädchen in einen britischen Haushalt und schickte den Lohn an ihre Familie.
    Von diesem Punkt an – das wußte Vandam – entsprach ihre Geschichte dem, was sich im Laufe der letzten hundert Jahre in den Häusern der britischen Oberschicht ständig wiederholt hatte: Sie verliebte sich in den Sohn des Hauses, und er verführte sie. Elene hatte Glück, weil jemand die beiden ertappte, bevor sie schwanger wurde. Der Sohn wurde auf die Universität geschickt und Elene ausbezahlt. Sie fürchtete sich, nach Hause zurückzukehren und ihrem Vater zu gestehen, daß sie wegen unzüchtiger Beziehungen – dazu noch mit einem Nichtjuden – entlassen worden war. Also lebte sie von ihrer Abfindung und sandte jede Woche den gewohnten Betrag nach Hause, bis das Geld verbraucht war. Dann richtete ein lüsterner Geschäftsmann, dem sie bei den Briten begegnet war, ihr eine Wohnung ein, und ihre Karriere begann. Kurz darauf erfuhr ihr Vater von ihrem Lebenswandel und ließ die Familie Shiva für sie abhalten.
    »Was ist Shiva?« fragte Vandam.
    »Die Trauerfeier.«
    Seitdem hatte sie nichts mehr von ihrer Familie gehört,aber eine Bekannte hatte ihr mitgeteilt, daß ihre Mutter gestorben war.
    »Hassen Sie Ihren Vater?«
    Elene zuckte die Achseln. »Ich glaube, daß sich die Dinge nicht schlecht entwickelt haben.« Sie breitete die Arme aus und deutete auf die Wohnung.
    »Aber sind Sie glücklich?«
    Sie sah ihn an. Zweimal schien sie sprechen zu wollen, brachte aber kein Wort heraus. Schließlich schaute sie zur

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