Der Schlüssel zu Rebecca
die Lebensmittelvorräte auffrischen. Von Mellenthin lächelte und fragte: »Frischen Fisch zum Abendessen?«
Rommel begriff. »Leber«, antwortete er. »Bratkartoffeln, frisches Brot.«
»Ein richtiges Bett mit einem Federkissen.«
»In einem Haus mit Steinwänden, die die Hitze und die Insekten fernhalten.«
Ein Kurier traf mit einer Botschaft ein. Von Mellenthin nahm sie entgegen und überflog sie. Er versuchte, seineAufregung zu unterdrücken, während er erklärte: »Sie haben den Draht bei Befestigungsstelle 69 durchtrennt. Gruppe Menny greift mit der Infanterie des Afrikakorps an.«
»Das ist es. Wir haben eine Bresche geschlagen. Lassen Sie uns gehen.«
*
Es war 10.30 Uhr, als Oberstleutnant Reggie Bogge den Kopf in Vandams Büro steckte und sagte: »Tobruk wird belagert.«
Danach schien es sinnlos weiterzuarbeiten. Vandam fuhr mechanisch fort, las Berichte von Informanten, dachte über den Fall eines trägen Leutnants nach, der zur Beförderung anstand, sie aber nicht verdiente, und versuchte, eine neue Methode für den Fall Alex Wolff zu entwickeln. Aber alles schien hoffnungslos unwichtig. Die Nachrichten wurden immer deprimierender, während der Tag verging. Die Deutschen durchbrachen den Begrenzungsdraht; sie überbrückten den Panzerabwehrgraben; sie durchquerten das innere Minenfeld; sie erreichten die strategische Straßenkreuzung, die King’s Cross genannt wurde.
Vandam fuhr um 19.00 Uhr nach Hause und aß mit Billy zu Abend. Er konnte dem Jungen nicht von Tobruk erzählen, da die Nachricht noch nicht freigegeben war. Während sie ihre Lammkoteletts aßen, berichtete Billy, sein Englischlehrer, ein junger Mann, der wegen seiner schwachen Lunge dienstuntauglich sei, rede immer davon, wie gerne er in die Wüste ziehen und es den verdammten Deutschen geben würde. »Aber ich glaube ihm nicht«, meinte Billy. »Du etwa?«
»Ich nehme an, er meint es ehrlich«, sagte Vandam. »Er fühlt sich eben schuldbewußt.«
Billy war in einem Alter, in dem Kinder gern widersprechen.
»Schuldbewußt? Er kann sich nicht schuldbewußt fühlen – es liegt nicht an ihm.«
»Unbewußt doch.«
»Und wo ist der Unterschied?«
In die Falle gegangen, dachte Vandam. Er überlegte ein paar Sekunden. »Wenn du etwas Schlechtes getan hast und weißt, daß es schlecht war, dann Gewissensbisse hast und auch weißt, warum, dann ist es ein bewußtes Schuldgefühl. Mr. Simkisson hat nichts Schlechtes getan, aber er hat trotzdem Gewissensbisse, und er weiß nicht, warum. Das ist ein unbewußtes Schuldgefühl. Deshalb ist er erleichtert, wenn er darüber sprechen kann, wie gern er kämpfen würde.«
»Oh«, machte Billy.
Vandam wußte nicht, ob der Junge ihn verstanden hatte.
Billy ging mit einem neuen Buch ins Bett. Er sagte, es sei eine Detektivgeschichte. Sie hieß Death on the Nile .
Vandam kehrte ins Große Hauptquartier zurück. Die Nachrichten waren immer noch schlecht. Die 21. Panzerdivision war in die Stadt Tobruk vorgedrungen und hatte vom Kai aus auf mehrere britische Schiffe gefeuert, die zu spät versuchten, aufs offene Meer zu entkommen. Einige waren versenkt worden.
Vandam verbrachte die Nacht in der Offiziersmesse und wartete auf Nachrichten. Er trank stetig und rauchte so viel, daß er Kopfschmerzen bekam. Ab und zu trafen Mitteilungen aus der Befehlszentrale ein. In der Nacht beschloß Ritchie, der Kommandeur der 8. Armee, sich von der Front zurückzuziehen und nach Marsa Matruch zurückzuweichen. Man erzählte sich, daß Auchinleck, der Oberbefehlshaber, mit finsterer Miene aus dem Zimmer schritt, als er diese Nachricht hörte.
Kurz vor dem Morgengrauen dachte Vandam plötzlich an seine Eltern. Einige Häfen an der SüdküsteEnglands hatten so sehr wie London unter den Bombenabwürfen gelitten, aber seine Eltern lebten landeinwärts, in einem Dorf in Dorset. Sein Vater war Vorsteher eines kleinen Postamtes. Vandam blickte auf seine Uhr: In England war es jetzt 4.00 Uhr morgens, der Alte würde seine Fahrradklammern anlegen und im Dunkeln mit dem Rad zur Arbeit fahren. Trotz seiner sechzig Jahre hatte er eine beneidenswerte Konstitution. Vandams religiöse Mutter verbot Rauchen, Trinken und alle Arten »ausschweifenden« Benehmens; doch sie kränkelte dauernd.
Schließlich ließen Alkohol, Erschöpfung und Langeweile Vandam eindämmern. Er träumte, mit Billy, Elene und seiner Mutter in der Garnison von Tobruk zu sein. Er lief hastig umher, um alle Fenster zu schließen. Draußen lehnten
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