Der Schlüssel zu Rebecca
anderen Vorstoß am Sidra-Kamm abgeschlagen haben, werden eine Kehrtwendung machen und die Inder von Norden her angreifen. Drittens: Heute nacht werden unsere Pioniere im Minenfeld bei Bir el-Harmat eine Lücke schaffen, damit die 15. Panzerdivision nach Süden schwenken, aus der Lücke auftauchen und die britischen Streitkräfte von hinten angreifen kann.«
Von Mellenthin nickte anerkennend, während er lauschte und zusah. Es war ein für Rommel typischer Plan: rasche Bewegung der Kräfte und damit maximale Steigerung ihrer Wirkung; Einkreisung; überraschendes Erscheinen einer starken Division dort, wo sie am wenigsten erwartet wurde, im Rücken des Feindes. Wenn alles planmäßig verlief, würden die angreifenden Brigaden der Alliierten umzingelt, abgeschnitten und ausgelöscht werden.
Wenn alles planmäßig verlief.
Wenn der Spion recht hatte.
Kesselring sagte: »Ich glaube, Sie machen einen großen Fehler.«
»Das steht Ihnen frei«, antwortete Rommel ruhig.
Von Mellenthin war alles andere als ruhig. Wenn der Plan mißlang, würde Berlin bald von Rommels leichtsinnigem Vertrauen auf schlechte Geheimdienstarbeit erfahren; und man würde von Mellenthin dafür verantwortlich machen, daß er die Informationen geliefert hatte. Rommel war zu Untergebenen, die ihn enttäuschten, rücksichtslos.
Rommel warf dem Leutnant, der die Aufzeichnungen machte, einen Blick zu. »Das sind also meine Befehle für morgen.« Er sah Kesselring trotzig an.
*
Von Mellenthin erinnerte sich an diesen Moment, als er sechzehn Tage später zusammen mit Rommel den Sonnenaufgang über Tobruk beobachtete.
Sie standen auf der Böschung nordöstlich von El Adem und warteten auf den Beginn der Schlacht. Rommel trug die Staubbrille, die er dem in Gefangenschaft geratenen General O’Connor abgenommen hatte, und die seitdem zu einer Art Gütezeichen für ihn geworden war. Er schien in bester Verfassung: lebhaft, tatendurstig und selbstbewußt. Man glaubte, sein Gehirn ticken zu hören, während er die Landschaft musterte und den Schlachtverlauf berechnete.
»Der Spion hatte recht«, sagte von Mellenthin.
Rommel lächelte. »Genau das habe ich auch gedacht.«
Der Gegenangriff der Alliierten war, wie vorausgesagt, am 5. Juni eingeleitet worden, und Rommels Verteidigung so erfolgreich gewesen, daß sie sich in einen Gegen-Gegenangriff verwandelt hatte. Drei der vier alliierten Brigaden waren vernichtet und vier Artillerieregimenter gefangengenommen worden. Rommel hatte unerbittlich nachgesetzt. Am 14. Juni hatten seine Truppen die Ghasala-Front durchbrochen, und heute, am 20. Juni, würden sie die lebenswichtige Küstengarnison Tobruk belagern.
Von Mellenthin schauderte zusammen. Es war erstaunlich, wie kalt die Wüste um 5.00 Uhr morgens sein konnte.
Er beobachtete den Himmel.
Um 5.20 Uhr begann der Angriff.
Ein Geräusch wie ferner Donner wuchs zu einem fürchterlichen Getöse, während sich die Stukas näherten. Die erste Formation flog vorbei, stieß zu den britischen Positionen hinab und ließ ihre Bomben fallen. Eine riesige Wolke aus Staub und Rauch erhob sich, und gleichzeitig eröffnete Rommels gesamte Artillerie mit ohrenbetäubendem Krachen das Feuer. Noch eine Welle von Stukas flogvorbei, dann eine weitere: Es waren Hunderte von Bombern.
»Phantastisch. Kesselring hat es wirklich geschafft«, kommentierte von Mellenthin.
Das war die falsche Bemerkung. Rommel entgegnete heftig: »Das ist nicht Kesselrings Verdienst. Heute dirigieren wir selbst die Flugzeuge.«
Trotzdem war die Leistung der Luftwaffe beeindruckend, dachte von Mellenthin, aber er sagte nichts.
Tobruk war eine konzentrische Festung. Die Garnison selbst lag innerhalb der Stadt, und die Stadt befand sich im Mittelpunkt eines größeren, von den Briten gehaltenen Gebietes, das von einem 35 Meilen langen Begrenzungsdraht mit zahlreichen Befestigungsstellen umgeben war. Die Deutschen mußten den Draht überwinden, dann durch die Stadt vordringen und schließlich die Garnison einnehmen.
Eine orangefarbene Rauchwolke stieg in der Mitte des Schlachtfeldes auf. Von Mellenthin sagte: »Das ist ein Signal der Pioniere. Die Artillerie soll ihre Reichweite vergrößern.« Rommel nickte »Gut. Wir machen Fortschritte.«
Plötzlich wurde von Mellenthin optimistisch. In Tobruk gab es Beute: Treibstoff, Dynamit, Zelte und Lastwagen – schon mehr als die Hälfte von Rommels motorisiertem Transport bestand aus erbeuteten britischen Fahrzeugen. Außerdem würde man
Weitere Kostenlose Bücher