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Der Schlüssel zu Rebecca

Der Schlüssel zu Rebecca

Titel: Der Schlüssel zu Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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des Gegners bot. Neben den Berichten der Funkaufklärung fanden sich Meldungen der Ic im Feld, die Informationen aus erbeuteten Waffen, den Uniformen toter Feinde, dem Verhör von Gefangenen und der Beobachtung des Gegners mit bloßem Auge bezogen hatten. Hinzu kamen Luftaufklärung, ein Situationsbericht von einem Aufmarschexperten und eine – nahezu nutzlose – Zusammenfassung, wie Berlin Pläne und Stärke der Alliierten gegenwärtig einschätzte.
    Wie alle Nachrichtenoffiziere im Felde verachtete von Mellenthin die Berichte von Spionen. Auf Diplomatenklatsch, Zeitungsartikel und sogar Rätselraten gegründet, trafen sie in der Hälfte aller Fälle nicht zu.
    Er mußte zugeben, daß dieser Bericht ganz anders wirkte.
    Ein durchschnittlicher Geheimagent meldete etwa folgendes: »9. Indische Brigade hat erfahren, daß sie in der nahen Zukunft an einer wichtigen Schlacht teilnehmen wird« oder »Alliierte planen Durchbruch aus dem Kessel im frühen Juni« oder »Gerüchte, daß Auchinleck als Oberkommandierender abgelöst werden soll«.
    Der Spion mit dem Rufzeichen Sphinx hingegen begann seinen Bericht ganz präzise: »Unternehmen Aberdeen.« Er meldete das Angriffsdatum, die betroffenen Brigaden und ihre spezifischen Aufgaben, die Orte, an denen sie zuschlagen würden, und die taktischen Überlegungen der Planer.
    Von Mellenthin war nicht überzeugt, aber er war interessiert. Während das Thermometer in seinem Zelt über 40 Grad Celsius stieg, begann er seine üblichenMorgengespräche. Er unterhielt sich persönlich, über Feldtelefon und – seltener – über Sprechfunk mit den Ic der Divisionen, dem Luftwaffenverbindungsoffizier von der Luftaufklärung, dem Horchkompanieverbindungsoffizier und einigen der fähigeren Brigade-Ic. All diesen Männern gegenüber erwähnte er die 9. und 10. Indische Brigade, die 22. Panzerbrigade und die 32. Heerespanzerbrigade. Er wies sie an, nach diesen Brigaden Ausschau zu halten. Zudem befahl er, auf Schlachtvorbereitungen in den Gebieten zu achten, aus denen, nach dem Bericht des Spions, der Gegenschlag kommen würde. Außerdem sollten sie die Beobachter des Feindes im Auge behalten: Wenn der Spion recht hatte, würden die Alliierten ihre Luftaufklärung dort verstärken, wo sie angreifen wollten, nämlich am Aslagh-Kamm, am Sidra-Kamm und in Sidi Muftah. An diesen Positionen konnte die Bombardierung verstärkt werden, um die Deutschen zu zermürben; allerdings wäre das ziemlich verräterisch, so daß die meisten Kommandeure vermutlich darauf verzichten würden.
    Die Gespräche ermöglichten nicht zuletzt den Ic an der Front, ihre während der Nacht übermittelten Berichte zu ergänzen. Als sie beendet waren, schrieb von Mellenthin seine eigene Meldung für Rommel und brachte sie zum Befehlsfahrzeug. Er diskutierte sie mit dem Stabschef, der sie dann Rommel übergab.
    Die morgendliche Besprechung war kurz, denn Rommel hatte schon am Abend zuvor seine wichtigsten Entscheidungen getroffen und die Tagesbefehle erteilt. Außerdem war Rommel morgens nicht in nachdenklicher Stimmung: Ihn dürstete nach Aktion. Er raste durch die Wüste, suchte mit seinem Stabswagen oder seinem Fieseler Storch eine Frontposition nach der anderen auf, gab neue Befehle, scherzte mit den Männern und übernahm bei kleineren Gefechten das Kommando. Doch obwohl er sich ständig dem feindlichen Feuer aussetzte,war er seit 1914 nicht mehr verwundet worden. Von Mellenthin begleitete ihn heute, nahm die Gelegenheit wahr, sich sein eigenes Bild von der Frontsituation zu machen und zu einem persönlichen Urteil über die Ic zu kommen, die ihm sein Ausgangsmaterial schickten. Manche waren übervorsichtig und verzichteten auf alle unbestätigten Informationen, andere übertrieben, um zusätzliche Vorräte und Verstärkungen für ihre Einheiten zu erhalten.
    Am frühen Abend, als das Thermometer endlich zu fallen begann, trafen weitere schriftliche Berichte und mündliche Meldungen ein. Von Mellenthin suchte aus der Fülle von Einzelheiten jene Informationen heraus, die sich auf den von Sphinx vorhergesagten Gegenangriff bezogen.
    Die Panzerdivision Ariete, eine italienische Division, die den Aslagh-Kamm besetzte, meldete erhöhte feindliche Luftaktivität. Von Mellenthin fragte, ob es sich um Bombenabwürfe oder Aufklärung handele, und erfuhr, daß von Aufklärung die Rede war; die Bombardierung war sogar ganz eingestellt worden.
    Die Luftwaffe meldete Aktivitäten im Niemandsland; es könnte eine Vorhut sein,

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