Der Schlüssel zu Rebecca
war Europäer, doch er mußte arabisch verstehen. Elene sagte: »Guten Tag.«
Er blickte zum Vorratsraum und rief: »Was haben Sie angestellt, Aristopoulos, Sie junger Bock?«
Aristopoulos steckte den Kopf durch die Tür. »Guten Tag, Sir. Das ist meine Nichte Elene.« Sein Gesicht verriet Verlegenheit und etwas anderes, was Elene nicht enträtseln konnte. Er zog sich wieder in den Lagerraum zurück.
»Seine Nichte!« wiederholte der Kunde und musterte Elene. »Sehr überzeugend.«
Er war ein großer Mann, Mitte Dreißig, mit dunklem Haar, dunkler Haut und dunklen Augen. Er hatte eine gebogene Nase, die typisch arabisch oder typisch für die europäische Aristokratie sein mochte. Sein Mund war dünnlippig, und wenn er lächelte, zeigte er kleine ebenmäßige Zähne; wie die einer Katze, dachte Elene. Sie kannte die Zeichen des Reichtums und bemerkte sie an ihm: ein Seidenhemd, eine goldene Armbanduhr, eine maßgeschneiderte Baumwollhose mit Krokodilledergürtel, handgemachte Schuhe und ein schwach duftendes, männliches Parfüm.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte Elene.
Er betrachtete sie, als habe er mehrere Antworten im Sinn, dann sagte er: »Lassen Sie uns mit englischer Marmelade anfangen.«
»Ja.« Die Marmelade war im Lagerraum. Sie ging dort hinein, um ein Glas zu holen.
»Das ist er!« zischte Aristopoulos.
»Wovon reden Sie?« fragte sie in normaler Lautstärke. Sie war immer noch wütend auf ihn.
»Der Mann mit dem Falschgeld – Mr. Wolff –, das ist er!«
»Oh Gott!« Sie hatte einen Moment vergessen, weshalb sie hier war. Aristopoulos’ Panik steckte sie an, und ihre Geistesgegenwart verließ sie. »Was soll ich zu ihm sagen? Was soll ich tun?«
»Ich weiß nicht – geben Sie ihm die Marmelade – ich weiß nicht ...«
»Ja, die Marmelade, richtig ...« Elene nahm ein Glas Cooper’s Oxford von einem Regal und kehrte in den Laden zurück. Sie zwang sich, Wolff fröhlich anzulächeln, während sie das Glas auf den Tresen stellte. »Noch etwas?«
»Zwei Pfund dunklen Kaffee, feingemahlen.«
Er beobachtete sie, als sie den Kaffee abwog und mahlte. Plötzlich hatte sie Angst vor ihm. Er war nicht wie Charles, Johnnie und Claud, die Männer, die sie ausgehalten hatten. Sie waren weich, bequem, komplexbeladen und mühelos zu beeinflussen gewesen. Wolff wirkte ausgeglichen und selbstbewußt. Sie vermutete, daß es schwer sein würde, ihn zu täuschen, und unmöglich, seine Pläne zu vereiteln.
»Noch etwas?«
»Eine Dose Schinken.«
Sie holte alles, was er wollte, und stellte die Waren auf den Tresen. Seine Augen folgten ihr überallhin. Sie dachte: Ich muß mit ihm reden, ich kann nicht dauernd nur sagen: Noch etwas?, ich soll mich mit ihm anfreunden. »Noch etwas?« fragte sie.
»Eine halbe Kiste Champagner.«
Der Pappkarton mit sechs vollen Flaschen war sehr schwer. Sie zerrte ihn aus dem Lagerraum. »Ich nehme an, daß wir die Sachen bei Ihnen abliefern sollen.« Elene versuchte, ihre Worte beiläufig klingen zu lassen. Sie war etwas außer Atem, nachdem sie den Karton herangeschleppt hatte, und hoffte, dadurch ihre Nervosität zu verdecken.
Seine dunklen Augen schienen sie zu durchbohren. »Liefern?« fragte er. »Nein, danke.«
Elene betrachtete den schweren Karton. »Ich hoffe, daß Sie in der Nähe wohnen.«
»Nahe genug.«
»Sie müssen sehr stark sein.«
»Stark genug.«
»Wir haben einen sehr zuverlässigen Zusteller ...«
»Keine Zustellung«, sagte er entschieden.
Sie nickte. »Wie Sie wünschen.« Eigentlich hätte sie nicht damit gerechnet, daß es gelingen werde, aber sie war trotzdem enttäuscht. »Noch etwas?«
»Ich glaube, das ist alles.« Sie begann, die Preise zusammenzurechnen.
»Aristopoulos muß gut zurechtkommen, wenn er eine Verkäuferin anstellen kann.«
»Fünf Pfund, zwölf Schilling, sechs Pence – das würden Sie nicht sagen, wenn Sie wüßten, wieviel er mir bezahlt –, fünf Pfund, dreizehn Schilling, sechs Pence, sechs Pfund ...«
»Gefällt Ihnen die Arbeit nicht?«
Sie blickte ihn gerade an. »Ich würde alles tun, um hier herauszukommen.«
»Woran hatten Sie gedacht?« Er schaltete sehr schnell.
Elene zuckte die Achseln und rechnete weiter. Schließlich sagte sie: »Dreizehn Pfund, zehn Schilling, vier Pence.«
»Und woher wußten Sie, daß ich mit Sterling bezahlen will?« Er schaltete wirklich schnell. Elene hatte Angst, sich verraten zu haben. Sie merkte, wie sie errötete. Plötzlich hatte sie einen Einfall. »Sie sind doch
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