Der Schlüssel zu Rebecca
Fast so schlau wie ein Araber, weil er fast einer ist. Er ist der einzige Europäer, der mich je hereingelegt hat.«
»Das halte ich für unwahr«, sagte Wolff und paßte sich ihrer rauschhaften Sprechweise an. »Ich würde nie versuchen, meinen Freund Abdullah zu betrügen, denn wer kann den Teufel überlisten?«
Yasef lächelte und nickte beifällig über den Scherz. »Hör mir zu, mein Bruder, ich will es dir erklären.« Abdullah runzelte die Stirn: das Rauschgift hemmte seine Konzentration. »Achmed-Alex bat mich, etwas für ihn zu stehlen. Auf diese Weise sollte ich das Risiko auf mich nehmen, und er wollte den Vorteil haben. Natürlich hat er mich nicht so einfach überlistet. Ich stahl den Gegenstand – es war eine Aktentasche – und hatte natürlich vor, ihren Inhalt für mich zu behalten, denn nach den Gesetzen Gottes hat der Dieb ein Recht auf den Erlös seines Verbrechens. Deshalb hätte ich ihn übers Ohr hauen müssen, nicht wahr?«
»Ganz richtig«, entgegnete Yasef, »obwohl ich mich nicht an die Stelle in der Heiligen Schrift erinnern kann, an der steht, daß ein Dieb ein Recht auf den Erlös seines Verbrechens hat. Aber ...«
»Mag sein«, unterbrach Abdullah. »Wovon hatte ich gesprochen?«
Wolff, der noch bei klarem Verstand war, half ihm. »Du hättest mich überlisten müssen, weil du die Tasche selbst geöffnet hast.«
»Stimmt! Aber warte: Die Tasche enthielt nichts vonWert, also hatte Achmed-Alex mich hereingelegt. Aber warte: Ich ließ mich für den Dienst bezahlen, den ich ihm geleistet hatte; also bekam ich hundert Pfund, und er stand mit leeren Händen da.«
Yasef zog die Brauen hoch. »Dann hast du ihn also wirklich reingelegt.«
»Nein.« Abdullah schüttelte traurig den Kopf. »Er bezahlte mich mit gefälschten Banknoten.«
Yasef und Abdullah starrten einander an und brachen in Gelächter aus. Sie schlugen sich gegenseitig auf die Schulter, stampften mit den Füßen auf den Boden, rollten auf den Kissen umher und lachten, bis ihnen Tränen in die Augen traten.
Wolff zwang sich zu einem Lächeln. Es war genau die Art von Anekdote, die arabischen Geschäftsleuten zusagte. Abdullah würde sie noch jahrelang erzählen. Aber Wolff lief ein Schauder über den Rücken. Auch Abdullah wußte also von den Blüten. Wer noch? Wolff kam es vor, als ob die Meute der Jäger ihn schon umkreist hätte. Und der Kreis wurde mit jedem Tag enger.
Abdullah schien Wolffs Äußeres erst jetzt wahrzunehmen. Sofort zeigte er sich sehr besorgt. »Was ist dir zugestoßen? Hat man dich ausgeraubt?« Er griff nach einer winzigen Silberglocke und läutete. Fast im selben Moment kam eine schläfrige Frau aus dem Nachbarzimmer. »Hol heißes Wasser«, befahl Abdullah. »Bade die Wunden meines Freundes. Gib ihm ein europäisches Hemd und bring ihm einen Kamm. Er braucht Kaffee. Schnell!«
In einem europäischen Haus hätte Wolff protestiert, wenn die Frauen seinetwegen nach Mitternacht geweckt worden wären. Doch hier galt ein solcher Protest als unhöflich. Die Frauen waren dazu da, den Männern zu dienen, und sie würden über Abdullahs gebieterische Forderungen weder überrascht noch verärgert sein.
Wolff erklärte: »Die Briten haben versucht, mich festzunehmen, und ich war gezwungen, mit ihnen zu kämpfen, bevor ich entkommen konnte. Leider wissen sie jetzt, wo ich gewohnt habe, und das ist ein Problem.«
»Ah.« Abdullah zog an der Nargileh und ließ sie herumgehen. Bald spürte Wolff die Wirkung des Haschischs: Er war entspannt, ein wenig schläfrig und konnte nur mühsam nachdenken. Die Zeit schien sich zu dehnen. Zwei von Abdullahs Frauen versorgten ihn, wuschen ihm das Gesicht und kämmten sein Haar. Er genoß ihre Dienste.
Abdullah döste eine Weile, dann öffnete er die Augen und sagte: »Du mußt hierbleiben. Mein Haus gehört dir. Ich werde dich vor den Briten verstecken.«
»Du bist ein wahrer Freund.« Wolff hatte beabsichtigt, Abdullah Geld für sein Versteck anzubieten. Doch Abdullah wußte, daß das Geld nichts taugte, und Wolff hatte überlegt, was er unternehmen könne. Nun würde der Dieb ihn ohne Bezahlung verbergen. Ein wahrer Freund. Aber Abdullah hatte keine Freunde. In seiner Welt gab es nur die Familie, für die er alles tun würde, und die übrigen, für die er nichts tun würde. Wolff fragte sich schläfrig: Wie habe ich diese Sonderbehandlung verdient?
Wieder erklang seine Alarmglocke. Er zwang sich nachzudenken, was wegen des Haschischs nicht leicht war. Abdullah
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