Der Schlüssel zu Rebecca
es noch einmal ab. Während er weiterging, polierte er den schmalen Stahl mit heftigen Bewegungen. Dann warf er das Taschentuch weg und schob das Messer wieder in die Scheide unter seinem Arm. Er bog von der Gasse in eine Straße, orientierte sich und steuerte auf die Altstadt zu.
Unwillkürlich stellte er sich eine Gefängniszelle vor. Sie war einen Meter achtzig lang, einen Meter zwanzig breit, und die Hälfte wurde von einem Bett eingenommen. Unter dem Bett stand ein Nachttopf. Die Wände waren aus glattem, grauem Stein. Eine kleine elektrische Birne hing an einem Draht von der Decke. An einem Ende der Zelle war eine Tür, an dem anderen,knapp über Augenhöhe, ein kleines quadratisches Fenster. Dort konnte er den hellen, blauen Himmel erkennen. Er malte sich aus, morgens aufzuwachen und all dies zu sehen. Was würde er empfinden, wenn er in dieser Zelle säße? Wolff schüttelte den Kopf, um den Alptraum zu verscheuchen. Schließlich war er noch einmal davongekommen. Er merkte, daß einige Leute auf der Straße ihn anstarrten. In einem Schaufenster sah er einen Spiegel und musterte sich. Sein Haar war zerzaust, eine Seite seines Gesichts geschwollen, sein Ärmel zerrissen, und an seinem Kragen klebte Blut. Immer noch keuchte er von der Anstrengung des Laufes und des Kampfes. Wolff dachte: Ich sehe gefährlich aus. Er ging weiter und bog an der nächsten Ecke, ab, um eine indirekte Route einzuschlagen, an den Hauptstraßen vorbei.
Die Trottel in Berlin hatten ihm Falschgeld gegeben! Kein Wunder, daß sie so großzügig waren, schließlich druckten sie es selbst. Es war dermaßen dumm, daß Wolff sich fragte, ob nicht mehr als Dummheit dahintersteckte. Die Abwehr wurde vom Militär, nicht von der Partei geleitet; Canaris, ihr Chef, gehörte nicht zu Hitlers treuesten Anhängern.
Wenn ich wieder in Berlin bin, wird es eine gewaltige Säuberung geben ...
Aber wie war man ihm hier in Kairo auf die Spur gekommen? Er hatte mit vollen Händen Geld ausgegeben. Die Blüten waren verbreitet worden, und die Banken hatten sie entdeckt – nein, nicht die Banken, der Generalzahlmeister. Jedenfalls hatte man begonnen, das Geld zurückzuweisen, und die Sache hatte sich in Kairo herumgesprochen. Der Restaurantbesitzer hatte gemerkt, daß Wolffs Geld gefälscht war, und die Militärpolizei gerufen. Wolff grinste bitter, als ihm einfiel, wie geschmeichelt er über den spendierten Brandy gewesen war.
Der Mann auf dem Motorrad kam ihm in den Sinn. Der Schuft mußte äußerst entschlossen gewesen sein, sonst wäre er mit der Maschine nicht durch all die Gassen und über die Treppen gefahren. Wolff vermutete, daß er unbewaffnet gewesen war, da er sonst bestimmt geschossen hätte. Er hatte auch keinen Stahlhelm getragen, gehörte also nicht zur Militärpolizei. Jemand vom Geheimdienst vielleicht? Möglicherweise sogar Major Vandam?
Wolff hoffte es.
Ich habe den Mann verletzt, dachte er. Wahrscheinlich ist er böse zugerichtet.
Er dachte an das Wichtigste: Die Polizisten hatten Sonja in ihrer Gewalt. Sie würde behaupten Wolff kaum zu kennen, ihn gerade im Cha-Cha-Club getroffen zu haben. Man würde sie nicht lange festhalten können, da sie berühmt war – ein Star, eine Art Heldin für die Ägypter. Aber sie würde ihre Adresse nennen müssen, was bedeutete, daß Wolff nicht zum Hausboot zurückkehren konnte. Er war aber erschöpft, aufgelöst und mit Prellungen übersät. Er mußte sich säubern und ein paar Stunden ausruhen – irgendwo.
Schon einmal war er, von den Engländern gejagt, müde und ziellos durch die Stadt gewandert.
Diesmal würde er bei Abdullah Unterschlupf suchen müssen. Er hatte sich der Altstadt genähert, da er instinktiv ahnte, daß Abdullah seine letzte Hoffnung war. Nun stand er ein paar Schritte von dem Haus des alten Diebes entfernt. Er senkte den Kopf, ging unter dem Torbogen her, einen kurzen dunklen Gang entlang und kletterte die steinerne Wendeltreppe zu Abdullahs Behausung hinauf.
Abdullah saß zusammen mit einem anderen Mann auf dem Boden. Zwischen den beiden stand eine Nargileh, und die Luft war mit würzigem Haschischgeruch geschwängert. Der Dieb blickte zu Wolff auf und verzog dasGesicht zu einem schläfrigen Lächeln. Er sagte auf arabisch: »Yasef, mein Bruder, da ist mein Freund Achmed, auch Alex genannt. Willkommen, Achmed-Alex.« Beide kicherten.
Wolff setzte sich zu ihnen auf den Boden und begrüßte sie auf arabisch.
Abdullah fuhr fort: »Mein Freund Achmed-Alex ist schlau.
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