Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry
erzählen.“
„Schon gut“, schnitt Ralph Condray alle weiteren Erklärungen ab. „Gedulde dich fünf Minuten. Ich bin gleich fertig.“
Er zog sich in aller Eile um und steckte sein letztes Bargeld in die Tasche. Pünktlich um sieben Uhr verließ er neben Maud Ruby das rote Backsteinhaus.
„Fahren wir mit dem Bus?“, fragte er, als sie auf der Straße standen.
„Du weißt auch wirklich gar nichts mehr“, sagte Maud Ruby ärgerlich. „Die Blaue Taverne liegt doch ganz in der Nähe. Wir haben keine halbe Meile zu gehen.“
Es war wirklich nicht weit. Schon nach wenigen Minuten erreichten sie den flachen Bau, der einen so stolzen Namen führte. Gelbe Vorhänge schmückten die vielen Fenster. Gedämpftes Licht fiel auf den Gehsteig heraus. Ein kunstvoll geschmiedetes Wirtshausschild klirrte leise im Nachtwind.
Als Ralph Condray wenig später die Gaststube betrat, war er ziemlich verblüfft. Er hatte eine armselige Kneipe zu sehen erwartet, ein dumpfes Bierloch, in dem sich die Ausgestoßenen und die vorbestraften Gesetzesbrecher seit jeher verkriechen. Stattdessen sah er nun eine gutbürgerliche Wirtschaft vor sich. Die Tische waren mit sauberen Decken versehen und trugen sogar teilweise Blumen. Die Biertheke glänzte in Nickel und Chrom. Von der Küche strömten verlockende Gerüche herein. Zwei hübsche Bedienungen eilten flink hin und her und trugen lukullische Speisen auf.
Ralph Condray warf einen unsicheren Blick auf Maud Ruby.
„Täuschst du dich auch nicht?“, fragte er flüsternd. „Werden wir hier wirklich die Freunde Mack Ruppers treffen? Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie in einem so feinen Lokal . . .“
„Früher war es eine Sumpfkneipe“, gab Maud Ruby leise zurück.
„Erst seit Ruth Bonfield diesen Laden übernahm, wurde es anders. Sie räumte auf unter den Strolchen und Tagedieben. Ein Wunder, daß sie ausgerechnet die Freunde Mack Ruppers vergessen hat. Dort drüben sitzen sie. Du kannst nachher zu ihnen hingehen. Ich will nichts mit ihnen zu tun haben.“
Sie wählten einen kleinen Ecktisch in der Nähe der Tür und bestellten zwei Cock mit Schuß. Schon nach einiger Zeit sahen sie, daß Hope Bolton, Alban Vock und Bill Webster an ihrem Tisch unruhig wurden. Sie schielten dauernd herüber. Sie reckten die Hälse und machten große Augen.
„Sie haben dich erkannt“, raunte Maud Ruby gedämpft. „Stell dich vor bei ihnen. Sonst glauben sie am Ende noch, du hättest ein schlechtes Gewissen.“
Ralph Condray straffte seine Brust mit einem tiefen Atemzug und erhob sich. Mit ausgreifenden Schritten ging er durch die Gaststube. Furchtlos näherte er sich den drei Dunkelmännern.
„Da bin ich“, sagte er mit einem kleinen Lächeln. „Lange nicht mehr gesehen, wie? Sieben Jahre sind eine verdammt lange Zeit.“
Die Freunde Mack Ruppers rückten grinsend zusammen und machten ihm einen Platz frei. Sie sahen beileibe nicht so aus, wie man sich schmierige Ganoven vorstellt. Sie trugen saubere Oberhemden, modische Krawatten und tadellose Anzüge. Sie hatten noch nicht einmal schwarze Fingernägel. Auch gröhlten sie nicht herum, sondern verhielten sich ruhig und reserviert.
„Sieh mal an“, brummte Hope Bolton respektvoll. „James Green ist wieder im Lande. Hast dich tadellos herausgemacht, alter Junge. Siehst blendend aus. Hätten dich kaum noch erkannt. Wo hast du denn die ganzen Jahre gesteckt?“
„In Südamerika“, sagte Ralph Condray widerwillig.
„Ah, in Südamerika. Alle Achtung! Und was hast du dort getrieben?“
„Ich besaß eine Mine mit dreihundert Arbeitern.
Es war eine ergiebige Erzgrube, die sehr gut florierte . . .“
„Er lügt noch genauso wie früher“, prustete Hope Bolton. „Er ist immer noch der alte Angeber.“
Alban Vock und Bill Webster stimmten in das Gelächter mit ein. Für zwei, drei Minuten vergaßen sie, daß sie hier feine Leute spielen wollten. Sie lachten und wieherten und schlugen sich vor Vergnügen auf die Schenkel.
„Was habt ihr denn?“, fragte Ralph Condray ärgerlich.
Hope Bolton hielt sich den Bauch. Sein Gesicht war krebsrot vor lauter Lachen.
„Man freut sich“, ächzte er schnaufend, „wenn es einer von uns zu etwas gebracht hat. Du bist also jetzt ein reicher Mann, wie? Sicher wohnst du im Hotel Cumberland?“
„No, bei Maud Ruby“, sagte Ralph Condray einsilbig.
„Eh?“
Die drei machten ungläubige Gesichter und stierten ihn überrascht an.
„Bei Maud Ruby? Wie sollen wir das verstehen? Wie bist
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