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Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry

Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry

Titel: Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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wirkte düster und verwahrlost. Der Union Canal zog sich an den grauen Rüdefronten der Häuser hin. Man sah verrostete Balkone, windschiefe Fenster, verbeulte Badewannen und allerlei Gerümpel in den muffigen Höfen. Und immer hing irgendwo ausgebleichte Wäsche an langen Blechdrähten herum. Dazwischen hüpften schmutzige Kinder und struppige Straßenköter durcheinander. Ganz klar, daß auch der Laden Alfred Glashills entsprechend aussah. In den kleinen Schaufenstern suchte man vergebens nach prächtigem Schmuck und kostbarem Geschmeide. Dafür gab es billige Wecker, kitschigen Plunder und Altwaren jeder Art. Vom Blumenständer bis zur Wandampei war so ziemlich alles vertreten.
    An diesem grauen Oktobermorgen lehnte Alfred Glashill in der Tür seines traurigen Ladens und schaute die aufgeweichte Straße hinunter. Er hatte die faltigen Hände über dem Bauch verschränkt und seine spindeldürre Gestalt in einen schlotternden Anzug gehüllt. Seine kleinen Rattenaugen tasteten lauernd die Torbögen und Hofeinfahrten ab. Zehn Minuten etwa mochte er so gestanden haben, und eisige Kälteschauer krochen bereits über seinen eingesunkenen Rücken, da entdeckte er plötzlich Frederick Lawes, der wie immer untätig vor seiner dürftigen Behausung herumlungerte und nach etwas Eßbarem Ausschau hielt. Er war der geborene Eckensteher. Kein Mensch hatte ihn jemals arbeiten sehen.
    „Eh, Frederick!“, rief Alfred Glashill zu ihm hinüber. „Willst du dir eine warme Mahlzeit verdienen? Ich hätte eine kleine Arbeit für dich. Es dauert nicht lang. In einer halben Stunde kannst du fertig sein.“
    Frederick Lawes schob träge mit seinem Buckel durch die Gegend und kam mürrisch näher. „Was soll's?“, fragte er mundfaul. „Viel wirst du mit mir nicht anfangen können. Habe momentan die Gicht in allen Gliedern.“
    „Ich weiß, ich weiß“, hüstelte Alfred Glashill. „Du hast alle Leiden der Menschheit auf deinem Buckel zu tragen. Komm herein! Ich zahle dir einen Liter Bier und fünf Schilling. Einverstanden?“ „Erst mal sehen“, brummte Frederick Lawes. „Was muß ich tun?“
    Alfred Glashill führte ihn in einen finsteren Winkel seines Treppenhauses. Unter der morschen Stiege befand sich ein gezacktes Loch in der Mauer. Ein gutes Dutzend Backsteine lag auf dem Boden herum. Daneben stand ein Mörteleimer und eine Maurerkelle nebst ein paar primitiven Werkzeugen.
    „Du könntest das Loch zumachen“, brummte Alfred Glashill mit schiefen Blicken. „Ich selbst bin zu schwach für ein solches Geschäft. Was meinst du? Sind fünf Schillinge nicht eine Menge Geld für das bißchen Arbeit?“
    „Leg noch eine Schachtel Zigaretten darauf“, maulte Frederick Lawes, „dann werde ich anfangen. Aber mit einer halben Stunde ist es nicht getan. Werde fast bis zum Mittag brauchen.“
    Er bekam die Zigaretten. Er steckte sich einen Glimmstengel zwischen die Lippen und rührte dann in dem Mörtel herum. Er wollte schon den ersten Stein in die Luke fügen, da kam ihm plötzlich ein anderer Gedanke. Er knipste sein Feuerzeug an und leuchtete in den dunklen Hohlraum hinein. Als er außer Staub und Moder nichts entdecken konnte, fuhr er mit seinen Armen in die Öffnung und wühlte in dem abscheulichen Loch herum.
    Vier, fünf Minuten lang bohrten sich seine Finger in den klebrigen Morast. Dann spürte er plötzlich ein rundes Etwas zwischen den Fingern. Es war ein Lederbeutel. Mit einem leisen Pfiff beförderte Frederick Lawes seinen Fund an das Tageslicht. Er löste die Schnur und griff hinein. Wenige Sekunden später tanzten ein paar runde Steine über seine Handfläche, die wie kleine Kiesel aussahen. Als er noch einmal in den Beutel griff, hielt er zwei kunstvoll geschliffene Diamanten in den Händen.
    „Was machst du da?“, fragte in diesem Moment eine schrille Stimme hinter ihm. Es war eine Stimme, in der Angst und Argwohn zitterten.
    Frederick Lawes fuhr herum wie ein ertappter Sünder. Er hielt noch immer seinen kostbaren Fund umkrampft. Die geschliffenen Diamanten warfen tausend schimmernde Funken durch den düsteren Treppenwinkel.
    „Du willst mich bestehlen, wie?“, zeterte Alfred Glashill empört. „Während ich ahnungslos vorn im Laden stehe, spielst du hier einen dreckigen Dieb. Leg sofort den Beutel in das Versteck zurück. He, hast du gehört?“
    Frederick Lawes war widerborstig wie ein Steinesel. Er machte keine Bewegung. „Seltsames Versteck für so kostbare Diamanten“, murmelte er mit einem lauernden

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