Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry
noch bevor.
„Komm doch!“, sagte Maud Ruby drängend. „Komm herein! Das Wohnzimmer ist warm geheizt.“
Es war wirklich recht gemütlich in dem nett ausstaffierten Raum. Im Ofen knisterte das Feuer. Die Stehlampe spendete trauten Schein. Aus dem Radio kam schmeichelnde Musik. Ralph Condray setzte sich auf das Sofa und starrte mißmutig vor sich hin. Er war bei schlechtester Laune. Düstere Ahnungen bedrückten ihn.
„Willst du schon schlafen gehen?“, fragte Maud Ruby verlegen.
„Oder soll ich dir etwas zu trinken holen? Ich habe alles da. Wein, Bier, Whisky oder . . .“
„Nein, laß nur“, sagte Ralph Condray einsilbig.
„Ich bin müde. Ich werde wieder hier auf dem Diwan schlafen.“
Er sah, daß sich Maud Ruby zögernd umdrehte. Sie hätte gern noch etwas gesagt. Ganz langsam ging sie zur Tür. Bei jedem Schritt hoffte sie, daß er sie zurückrufen würde. Als es nicht geschah, wanderte sie niedergeschlagen in ihr eigenes Zimmer hinüber. Man hörte sie dort eine Weile herumhantieren. Dann wurde es still. Ralph Condray löschte das Licht und streckte sich zum Schlafen aus. Er schwebte schon zwischen Wachen und Träumen, da hörte er plötzlich die Tür gehen. Sofort stand wieder der Überfall der ersten Nacht vor seinen Augen. Die Erinnerung an den gemeinen Diebstahl ließ ihn jäh aus dem Schlaf fahren. Er richtete sich hastig auf.
„Wer ist da?“, fragte er heiser.
„Ich bins“, sagte eine scheue Stimme. „Maud Ruby. Ich kann nicht allein bleiben. Ich habe Angst. Ich weiß genau, daß ich drüben kein Auge zutun könnte. Ich werde mich hier auf einen Stuhl setzen. Es wird dir nichts ausmachen. Ich bin ganz still.“ Sie zog sich einen Stuhl an sein Lager und rückte so eng an ihn heran, daß er ihren Atem spüren konnte. Ihre Gestalt zeichnete sich wie ein verlockendes Schemen aus dem Dämmerlicht. Sie hatte fast nichts an. Ihre nackten Schultern leuchteten wie dunkle Bronze.
Zwei, drei Minuten lang spürte Ralph Condray sein Herz schneller schlagen. Er war auch nur ein Mann. Er hätte sie gern in die Arme genommen. Aber dann sagte er sich wieder, daß sie die Freundin eines Mörders gewesen war. Dieser Gedanke schreckte ihn ab. Er stieß ihn immer wieder von ihr zurück. Knurrend drehte er sich auf die andere Seite. Er war schon wieder in einem leichten Dämmerschlaf, da spürte er plötzlich, daß Maud Ruby nach seiner Hand tastete.
„Hörst du es?“, fragte sie mit hohler Stimme. „Horch doch!“
Ralph Condray warf die Decken zurück und starrte zum Fenster hin. Von der Straße kam ein dünner, schneidender Pfiff herauf. Ein Pfiff, der leise dreimal an und abschwoll. Dann hörte man deutlich den Namen ,Maud‘ rufen.
„Das ist er“, flüsterte Maud Ruby entsetzt. „Ich wußte ja gleich, daß er wiederkommen würde. Er steht drunten vor dem Haus. Er wartet.“
„Na und?“, fragte Ralph Condray gereizt. „Warum zögerst du so lange? Laß ihn doch ein. Er will eine Nacht bei seiner Braut verbringen. Genauso wie früher. Das ist alles.“
Er wußte, daß ihr seine Worte wehtun mußten. Aber er wollte es so. Sie sollte fühlen, wie er sie verachtete. Dann sah er plötzlich eine Träne in ihrem Gesicht. Eine Träne, die langsam über die blasse Wange rollte.
„Na schön“, meinte er brummig. „Ich werde unten nachsehen. Bleib du solange hier.“
Er kleidete sich flüchtig an, nahm die beiden Schlüssel aus der Manteltasche und ging aus der Wohnung. Maud Ruby wollte ihn flehend zurückhalten, doch er kümmerte sich nicht darum.
„Ich muß endlich wissen, was hier gespielt wird“, knurrte er ungeduldig. „Laß mich los!“
Er machte sich von ihrem verzweifelten Griff frei und stürmte die Treppe hinunter. Er machte kein Licht. Er wollte dem ändern in der offenen Tür keine Zielscheibe bieten.
Geräuschlos huschte er durch den Hausflur. Leise führte er den Schlüssel ins Schloß. Im nächsten Moment öffnete er die Tür. Wachsam und argwöhnisch spähte er auf die dunkle Straße hinaus. Er entdeckte einen dunklen Schatten, der sich von der gegenüberliegenden Hauswand löste.
„Hallo, Maud?“, fragte eine heisere Stimme. Der Schatten kam etwas näher. Scheu ging er dem Schein der Laternen aus dem Weg. Und dann noch einmal: „Hallo, Maud?“
„Ja, ich bins“, gab Ralph Condray mit verstellter Stimme zurück. „Was willst du?“
Die letzte Silbe seiner Worte war noch nicht im Wind verhallt, da stach ihm ein blendender Feuerblitz in die Augen. Der dumpfe
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