Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry
mit wäßrigen Augen auf den neuen Kellner. „Das ist James Green, wie?“, fragte er hüstelnd. „Erkenne ihn noch, obwohl er sich mächtig verändert hat. Wie gehts, James? Habe dich nicht mehr gesehen, seit du damals getürmt bist.“
„Ich heiße Ralph Condray“, sagte der Kellner eisig. „Bitte das im Gedächtnis zu behalten, guter Mann. Und nun stören Sie mich bitte nicht länger in der Arbeit.“
„Er hat einen Tick“, grinste Hope Bolton prustend. „Er will nur noch als Mr. Condray angesprochen werden. Angeblich hatte er drüben in Südamerika eine große Mine, die ihn in wenigen Jahren zum Millionär machte..."
Wieherndes Gelächter am Tisch. Auch Frederick Lawes meckerte laut und schallend.
Als sie sich endlich wieder beruhigt hatten, stürzte der hagere Eckensteher drei scharfe Schnäpse hinunter. Er war schon ziemlich betrunken. Seine Augen glänzten wie im Fieber. Die Worte gingen nur schwer über seine Zunge.
„Habe euch etwas Wichtiges mitzuteilen, Boys“, murmelte er schleppend. „Könnte ein gutes Geschäft für uns alle werden. Allein traue ich mich an die Sache nicht recht heran. Alfred Glashill ist ein verdammt mißtrauischer Bursche. Er läßt mich Tag und Nacht nicht mehr aus dem Auge. Anscheinend wittert er bereits, daß ich ein Hühnchen mit ihm rupfen will.“
„Wovon redest du denn?“, brummte Hope Bolton aufhorchend. „Du mußt schon etwas mehr aus dir herausgehen. Wenn das Geschäft nicht viel Arbeit macht, sind wir dabei. Was meint ihr, Jungens?“
Die beiden anderen nickten stumpfsinnig. Sie hatten vorerst kein großes Interesse an der ganzen Sache. Aber als Frederick Lawes dann weitererzählte, bekamen sie auf einmal kugelrunde Augen. Hektische Flecken malten sich in ihren Gesichtern. Sie tuschelten und raunten in gehetzter Eile.
„Abgemacht“, beendete Hope Bolton schließlich die Debatte.
„Morgen Nacht schaukeln wir die Sache, Frederick! Um ein Uhr, verstanden? Bill Webster wird einen Wagen besorgen. Wir treffen uns an der Eisenbahnbrücke gleich hinter dem Lokal. Und nun kein Wort mehr darüber. Dieser verdammte Detektiv schnüffelt dauernd in unserer Nähe herum. Schluß, Boys! Bringt ein anderes Thema!“
Ralph Condray ahnte nichts von diesen Gesprächen. Er ging still und geschäftig seiner Arbeit nach. Noch eine Stunde bis Dienstschluß! Dann konnte er die müden Knochen ausruhen. Er war das ewige Herumlaufen noch nicht so richtig gewöhnt.
Als ein frischer Luftzug über sein Gesicht strich, wandte er den Kopf um. Er sah, daß sich die Tür geöffnet hatte. Maud Ruby trat herein. Sie warf ihm einen raschen Blick zu, dann ging sie zu einem Ecktisch, der in seinen Rayon gehörte. Sie zog ihren Mantel aus und setzte sich still auf den nächsten Stuhl.
Wie schön sie ist, dachte Ralph Condray in widerwilliger Bewunderung. Wenn sie in richtige Hände gekommen wäre, hätte man viel aus ihr machen können.
Sie war auch wirklich sehr reizvoll anzusehen. Das aparte Gesicht mit den schwarzen Locken und den großen, dunklen Augen mußte jedem im Gedächtnis bleiben, der es einmal gesehen hatte. Ein Wunder, daß sich Mack Rupper so leicht von ihr getrennt hatte. Manchem Mann wäre sie mehr wert gewesen als blinkende Silberlinge und schmutziges Papiergeld.
Ralph Condray ging langsam zu ihr hin. Er mußte sie bedienen. Es war seine Pflicht. „Was willst du trinken?“, fragte er ernst.
„Einen Gin, bitte!“
Er brachte ihr das Getränk. Da er im Augenblick nichts weiter zu tun hatte, setzte er sich ein Weilchen an ihre Seite. Er nahm zwei Schlüssel aus der Tasche und legte sie vor ihr auf den Tisch. „Ich brauche sie nicht mehr“, sagte er halblaut. „Ich kann jetzt hier schlafen. Du wirst erleichtert sein, nicht wahr?“
Maud Ruby sagte nichts. Sie nippte von ihrem Schnaps und blickte ihn dabei forschend an. Kurz nachher schob sie ihm die Schlüssel wieder zu.
„Behalte sie“, sagte sie leise. „Ich hätte es gern, wenn du nach Dienstschluß wieder zu mir kämst. Wenn es dir recht ist, werde ich bis zur Sperrstunde hier auf dich warten. Du kannst mich dann heimbegleiten.“
„Ach?“, sagte Ralph Condray erstaunt. „Woher denn diese plötzliche Zuneigung?“
„Es ist keine Zuneigung“, sagte Maud Ruby tonlos. „Es ist nur, weil ... ich habe . . . ich . . .“
„Na, was denn? Was hast du? Warum soll ich mit dir gehen? Fürchtest du dich allein?“
„Ja, das ist es“, sagte Maud Ruby mit erstickter Stimme. „Ich vergehe vor Angst. Ich
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