Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry
euch?“, fragte er ironisch. „Früher seid ihr doch immer so ausgelassen gewesen. Man hätte euch um euren Humor beneiden können. Jetzt schaut ihr drein, als hätten sie euch die Strümpfe von den Füßen geklaut.“
„Es ist wegen Bill Webster“, murmelte Alban Vock bedrückt. „Wir wissen noch immer nicht, warum er sterben mußte. Er hat doch keinem Menschen etwas getan.“
„Ach?“, fragte Wachtmeister Swan erstaunt. „Ich dachte, er sei ein Erpresser gewesen. Solche Leute sind schlimmer als Blutsauger. Sie haben zumindest einen erbitterten Feind: das Opfer nämlich, das sie erpressen. Auch bei Bill Webster wird es nicht anders gewesen sein.“
„Ausgeschlossen, Sir!“, fiel ihm Hope Bolton knurrend ins Wort.
„Das Opfer Bill Websters konnte gar nicht . . .“ Er biß sich auf die Lippen und verstummte. Um ein Haar wäre er in eine Falle getappt. Scheu und nervös blickte er auf seinen Bierdeckel nieder. In seinen Händen war ein unruhiges Zittern.
„Warum sprechen Sie denn nicht weiter?“, fragte Wachtmeister Swan in aufreizender Ruhe. „Sie wollten doch eben noch etwas sagen.“
„Lassen Sie mich zufrieden“, fauchte Hope Bolton bösartig. „Wir wissen von keinen Erpressungen. Das sind alberne Hirngespinste der Polizei.“
„Na schön“, meinte Wachtmeister Swan gleichgültig. „Dann dürfen Sie sich auch nicht beschweren, wenn Sie das gleiche Ende finden wie Ihr toter Freund. Auch auf Sie beide wartet eine abgefeilte Patrone . . .“
„Glauben Sie wirklich?“, fragte Alban Vock furchtsam. Er tastete unwillkürlich mit der Hand über den Brustverband. Um seine Mundwinkel lief ein verräterisches Zucken.
„Es ist mein voller Ernst“, sagte Wachtmeister Swan lässig. „Sie werden beide sterben, wenn Sie nicht endlich der Polizei Ihr Vertrauen schenken. Denken Sie doch an Mack Rupper! Er ist heute nacht abermals durch unser Netz geschlüpft. Er lauert vielleicht schon jetzt draußen vor dem Lokal. Wollen Sie abwarten, bis er Sie hinausruft?“
Die beiden Burschen rutschten unruhig hin und her, als säßen sie auf glühenden Stühlen. Sie hatten ihre spöttische Überlegenheit längst verloren. Gehetzt und unstet liefen ihre Blicke hin und her. Wachtmeister Swan redete schon wieder weiter. „Ich warte auf ein offenes Geständnis, meine Herren! Sie sind früher Zuhälter in Moncktons Kellerbar gewesen. Sie kannten alle Venustöchter weit und breit. Sie kannten auch alle Schlepper. Wer von diesen Personen konnte inzwischen eine geachtete Stellung erringen? Wer von ihnen will unbedingt seine Vergangenheit vertuschen?“
„Keine Ahnung, Sir“, murmelte Alban Vock. „Wir wissen wirklich nicht, was Sie meinen. Gehen Sie doch in Moncktons Kellerbar. Vielleicht können Sie von den Mädchen etwas erfahren.“
Wachtmeister Swan zog sich enttäuscht an seinen alten Tisch zurück. Er bestellte wieder ein Bier und saß dann untätig da. Er wartete darauf, daß man Hope Bolton oder Alban Vock aus dem Lokal rufen würde. Er war ständig auf dem Sprung, sofort hinter ihnen herzurennen. Aber es geschah nichts. Alban Vock und Hope Bolton blieben stumpfsinnig hinter ihren Krügen sitzen, bis Ruth Bonfield Sperrstunde gebot.
Mack Rupper ist also nicht gekommen, dachte Wachtmeister Swan ärgerlich. Vielleicht hat der Kommissar mehr Glück als ich. Ich würde es ihm neidlos gönnen.
Nachdem die beiden Burschen das Lokal verlassen hatten, zahlte auch Wachtmeister Swan seine Zeche und brach kurz nachher auf. Unmittelbar vor der Blauen Taverne parkte sein Dienstwagen. Er setzte sich ans Steuer, fuhr langsam an und überlegte sich, was er nun tun sollte. Eigentlich hatte er seinen Auftrag erfüllt. Er hätte sich mit ruhigem Gewissen aufs Ohr legen können.
Aber daran dachte Wachtmeister Swan seltsamerweise gar nicht. Er wollte in dieser Nacht unbedingt noch einen Erfolg ernten. So fuhr er kurz entschlossen nach Stepney hinüber, um Moncktons Kellerbar noch einen Besuch abzustatten. Er stellte seinen Wagen vor dem Saalbau des Polizeivereins London Ost ab, dann ging er zu Fuß auf die berüchtigte Animierkneipe zu.
Als er die ausgetretenen Stufen hinunterging, hörte er bereits das überlaute Kichern geschäftstüchtiger Mädchen und das dumpfe Murmeln ihrer liebeshungrigen Freier.
Wenige Sekunden später stand er in dem zwielichtigen Gewölbe, inmitten erhitzter Mädchenleiber mit kalt berechnenden Gesichtern. Der Hauch des Lasters und der Verführung legte sich wie ein erstickendes Netz über
Weitere Kostenlose Bücher