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Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry

Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry

Titel: Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Hühnerbrühe und Fischgerichten. Langsam gingen sie durch die Tischreihen. Aufmerksam spähten sie in die Gesichter der Wartegäste. Dann stockte Maud Ruby plötzlich mitten im Schritt.
    Sie hatte Mack Rupper entdeckt. „Dort sitzt er“, flüsterte sie entgeistert. „Er ist also wirklich hier. Ich habe es bis jetzt nicht glauben wollen.“
    Zaubernd und unschlüssig gingen sie auf den Tisch zu. Jeder Schritt wurde ihnen zur Qual. Sie hörten beide ihr Herz laut gegen die Rippen pochen.
    „Na, so kommt schon endlich“, zischte ihnen Mack Rupper heiser entgegen. „Setzt euch hierher! Habe einiges mit euch zu besprechen!“
    Jetzt, zum ersten Mal, hatte Ralph Condray Gelegenheit, den steckbrieflich gesuchten Mörder und einen wahren Teufel in Menschengestalt genau zu betrachten. Wie dumm die Menschen sind, dachte er betreten. Sie glauben immer, ein Mörder müsse ein brutales Gesicht, stechende Augen und ein verwahrlostes Äußere haben. Dieser Mann entspricht in keiner Weise solch kindischen Vorstellungen. Er sieht männlich und sympathisch aus. Er wirkt sogar anziehend. Kein Wunder, daß ein unerfahrenes Mädchen leicht auf ihn hereinfallen konnte.
    „Ich werde wieder verschwinden“, hörte er Mack Rupper in diesem Moment sagen. „Ich habe euch hier auf einen Zettel geschrieben, was ich brauche. Könnt ihr mir das bis morgen beschaffen?“
    Er brach hastig ab. Er merkte mit dem Instinkt eines gehetzten Raubtieres, daß sich in seiner Umgebung eine Veränderung vollzog. Er sah, daß sich drei, vier Herren an den Nachbartischen wie auf ein geheimes Kommando erhoben. Sie begannen seinen Tisch einzukreisen. Sie kamen unauffällig näher.
    „Habt ihr mich etwa verzinkt?“ Mit argwöhnischen Blicken streifte er Maud Ruby und Ralph Condray. „He, wollt ihr mir die Polizei auf den Hals hetzen?“
    Er wartete die Antwort nicht mehr ab. Er sprang auf, stieß polternd seinen Stuhl zur Seite und jagte wie ein Irrer auf die großen Fenster zu, die zu den Bahnsteigen hinausführten. Er kümmerte sich nicht um die gellenden Rufe in seinem Rücken. Er hielt auch nicht an, als ein Warnschuß peitschend neben ihm in die zersplitternde Scheibe schlug. Er riß in panischer Hast einen Fensterflügel auf, schwang sich über den Sims und stürmte keuchend auf die abgestellten Züge zu. Aalglatt und geschmeidig zwängte er sich unter den Achsen durch; unaufhaltsam hetzte er weiter.
    Maud Ruby hatte die verzweifelte Flucht mit schreckgeweiteten Augen beobachtet. Sie hatte unwillkürlich ihre Hand in den Mantel Ralph Condrays verkrallt. Starr blickte sie durch das offene Fenster auf die Bahnsteige hinaus. Sie hörte die lauten Rufe der Polizisten und peitschende Schüsse. Der Lärm entfernte sich allmählich. Nur die Gäste im Wartesaal schnatterten noch aufgeregt durcheinander.
    „Was soll nun aus uns werden?“, fragte Maud Ruby mit zuckenden Lippen. „Wenn er entkommt, dürfte unser Schicksal besiegelt sein. Er wird uns noch in dieser Nacht die Rechnung präsentieren.“
    „Wir wollen abwarten“, sagte Ralph Condray achselzuckend. „Vielleicht fassen sie ihn doch noch. Dieser Kommissar hat eigentlich nur selten danebengegriffen.“
    Sie warteten in verzehrender Ungeduld. Sie rührten weder ein Getränk noch eine Speise an. Sie rauchten nicht einmal eine Zigarette. Ihre Blicke hingen wie gebannt an der großen Uhr an der Stirnseite des Wartesaals. Sie schraken jedes Mal zusammen, wenn der Zeiger mit einem winzigen Sprung vorschnellte. Zwanzig Minuten vergingen. Vierzig Minuten. Eine Stunde. Dann trat plötzlich ein Detektiv in Zivil an ihre Seite. „Peinliche Geschichte“, murmelte er verlegen. „Dieser Kerl ging uns zum zweiten Mal durch die Lappen. Man könnte glauben, er sei mit dem Teufel verbündet. Kein anderer hätte ihm das nachgemacht. Er kam anscheinend völlig unversehrt durch den Kugelregen.“
    „Hm“, sagte Ralph Condray bitter. „Wenn ich selbst gehandelt hätte, wäre diese Pleite nicht eingetreten. Aber leider darf man auch einen Mörder nicht einfach niederschießen. Unsere Gesetze wollen es so.“
    „Komm!“, sagte er nach einer Weile zu Maud Ruby. „Wir wollen gehen. In Zukunft werden wir uns wieder allein helfen müssen.“
    Am Bahnhofsausgang nahmen sie sich eine Taxe und ließen sich nach Islington zum Lofting Oval bringen. Vor dem roten Badesteinhaus stiegen sie aus. Maud Ruby blickte bekümmert an der dunklen Fassade empor. Ihr Mut war auf den Nullpunkt gesunken. Ängstlich tastete sie die

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