Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry
mir“, sagte er verlegen, „um Sie für diesen Dienst zu bezahlen. Ich würde es sonst tun. Ich weiß genau, wieviel diese Briefe und Photos unter Umständen wert sind.“
„Trösten Sie sich, Mr. Swan“, sagte Sandra Bourdon spöttisch. „Für solche Gefälligkeiten nehme ich kein Geld. Das wissen Sie ganz genau. Und nun verschwinden Sie.“
Wachtmeister Swan tat, wie ihm geheißen war. Er stürmte glücklich die Treppe hinunter. Ein wahrer Feuereifer hatte ihn gepackt. Ich werde, dachte er, noch heute nacht diese Briefe und Photos unter die Lupe nehmen. Vielleicht habe ich Erfolg. Vielleicht wird Kommissar Morry morgen früh große Augen machen.
Auf dem Gehsteig verlangsamte Wachtmeister Swan seine Schritte. Er schlug die Richtung zum Polizeiverein London Ost ein. Dort hatte er seinen Wagen abgestellt. Er wollte in schnellstem Tempo nach Hause fahren. Er war noch keine zehn Schritte vom Haus Sandra Bourdons entfernt, da stockte er plötzlich. Er stand ziemlich genau an der Stelle, wo Sergeant Waldram den Tod gefunden hatte. Und auch ihm, Wachtmeister Swan, schien gerade hier die letzte Stunde zu schlagen. Er stutzte betroffen, als aus einiger Entfernung sein Name gerufen wurde. Laut und deutlich klangen die wenigen Silben durch die Nacht.
„Was ist?“, fragte Wachtmeister Swan unruhig. „Wer ist da?“
Sein Herz schlug plötzlich wie ein Hammer gegen die Rippen. Laut begann das Blut in seinen Schläfen zu singen. Auf der Stirn lag ein schmerzhafter Druck.
„Hallo?“, rief Wachtmeister Swan noch einmal. „Ist da jemand?“
Ein hallender Schuß war die einzige Antwort. Dumpf rollte das Echo über den Mardon Place. Das Mündungsfeuer war wie das ferne Zucken eines Blitzes. Surrend heulte der Querschläger auf Wachtmeister Swan zu und schlug mit der Breitseite in seine Brust. Das Herz zuckte gemartert auf. Es schickte ein paar heiße Blutstöße durch die Adern. Es arbeitete in rasenden Schlägen. Dann wurde es lahm und müde. Es pochte unregelmäßig. Es wurde langsamer. Wachtmeister Swan drehte sich wie ein Kreisel und stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden. Noch im Fallen hielt er die Schatulle krampfhaft an sich gepreßt. Aber dann huschte auf einmal ein dunkler Schatten heran und riß ihm den kleinen Kasten aus den erstarrten Händen. Hastige Schritte klapperten den Gehsteig entlang. Dann wieder Stille. Wachtmeister Swan sah und hörte nichts mehr von diesen Dingen. Er war schon weit von dieser Welt entfernt.
13
Hope Bolton und Alban Vock saßen mißmutig und vergrämt an ihrem Stammtisch in der Blauen Taverne. Sie waren weder durch die besten Speisen noch durch die schärfsten Getränke aufzuheitern. Dumpf stierten sie vor sich hin.
„Gestern“, murmelte Alban Vock mit belegter Stimme, „wurde während der Nachtstunden Wachtmeister Swan vom Morddezernat am Mardon Place in Stepney ermordet. Diese bittere Tatsache wird die Cops wieder verdammt scharf machen. Mich wundert es direkt, daß noch keiner hier war. Schätze, sie werden uns heute abend noch mächtig einheizen.“
„Wenn wir nicht vorher verschwunden sind“, fügte Hope Bolton mürrisch hinzu. „Mir hängt der ganze Laden allmählidr zum Hals heraus. Werde mich heute frühzeitig in die Falle legen.“
Er kam jedoch nicht dazu, seinen Vorsatz auszuführen. Noch ehe eine Stunde vergangen war, wurde Hope Bolton plötzlich vor das Lokal gerufen.
„Wer ist es denn?“, fragte er argwöhnisch. „He, wer will mich denn sprechen?“
Der Hausbursche grinste dämlich. „Weiß nicht, Sir“, meckerte er. „Kenne den Mann nicht. Habe ihn nie vorher gesehen. Er sagte mir nur, daß er Sie sprechen will. Mehr habe ich nicht auszurichten, Sir!“
In banger Ahnung schritt Hope Bolton durch den Windfang. Sein hölzernes Nußknackergesicht verlor zusehends an Farbe. Die Augen irrten flackernd umher.
Mit peitschenden Stößen fuhr der Wind über ihn hin, als er auf die Straße trat. Nervös blickte er sich um. Furchtsam hielt er den Rücken an die Mauerwand gepreßt.
„Hallo?“, rief er laut in den singenden Wind. „Hier bin ich! Wer hat nach mir gefragt?“
Ein dunkler Schatten pirschte sich an ihn heran, lautlos wie ein gespenstisches Phantom.
Hope Bolton starrte ungläubig in das vertraute Gesicht. „Eh, du bists, Mack“, murmelte er verstört. „Verdammt, was willst du noch von mir?
Denke, wir haben uns nicht mehr viel zu sagen.“
„Warum nicht?“, fragte Mack Rupper gedehnt. „Was soll dieser Unsinn? Hoffe
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