Der Schluss-Mach-Pakt
gegen die Wand und landete hinter dem Fernseher auf dem Boden.
Ich weiß nicht, wie lange ich heulte, aber mein Hals tat bereits weh, als ich spürte, wie sich ein Paar Arme um mich schlangen. Ich hatte noch nicht mal mitbekommen, dass jemand ins Zimmer gekommen war, doch als ich die Augen aufschlug, saß da mein kleiner Bruder auf der Bettkante und hatte die Wangen an meine Schulter gepresst.
»Es tut mir leid«, flüsterte ich mit kratziger Stimme.
»Schon gut.« Er streichelte mir übers Haar, genau wie Mom früher, wenn ich schlecht geträumt hatte. Das hatte ich vollkommen vergessen. Nachdem sie abgehauen war, hatte ich mich so sehr auf die abwesende, ruhelose Frau konzentriert, die sie gegen Ende hin gewesen war, dass die vielen kleinen Momente, für die ich sie vor langer Zeit geliebt hatte, fast ganz aus meiner Erinnerung verschwunden waren. Vermutlich war es so einfacher gewesen. Nicht mehr an das Gute zu denken, an das man sich hätte klammern können.
Ich richtete mich auf und hielt Ians Hand fest. »Ian, es gibt da etwas, was ich dir nie erzählt habe.« Meine Brust füllte sich mit Luft, als ich tief einatmete, um mich für das zu wappnen, was ich ihm jetzt sagen wollte. »Es ist meine Schuld, dass Mom uns verlassen hat.«
Mein Bruder sah mich lange Zeit nur verstört an, ehe er antwortete. »Was?«
»Weißt du noch, wie sie manchmal war? Völlig abwesend, wenn sie mal wieder in dieser komischen Laune war, und dass sie dann alles andere vergessen hat? Dann redete sie immer all mögliches Zeug daher, dass sie für immer im Dschungel verschwinden oder sich in irgendeinem kleinen Dorf auf dem Land weit weg in Europa verstecken wollte.«
Langsam nickte er. »Ja, ein bisschen erinnere ich mich daran.«
»Eine Woche bevor sie verschwand, hab ich beim Wissenschaftswettbewerb an der Schule mitgemacht, und ich hab Mom schwören lassen, dass sie kommen würde. Selbst Dad ist für eine Stunde aus der Arbeit weg, um bei der Preisverleihung dabei zu sein. Ich hab gewartet und gewartet, dass sie endlich auftauchte.« Ich kämpfte gegen die Tränen an, die sich gleich über meine Wangen ergießen würden. »Aber sie ist nie gekommen. Sie hat mich vollkommen vergessen und den Tag stattdessen damit verbracht, einer von ihren verrückten Dschungelideen nachzugehen, indem sie im Pyjama vor dem Computer saß und im Internet recherchierte. Als ich nach Hause kam, saß sie immer noch davor.«
Ich rieb mit dem Daumen über Ians Hand und hoffte, er würde mich dafür jetzt nicht gleich noch mehr hassen. »Ich wurde nur Zweite, und ich war überzeugt, dass es daran lag, dass sie nicht gekommen war. Also brüllte ich sie an, wie ich es noch nie zuvor getan hatte. Ich hab ihr gesagt, ich würde sie hassen und wünschte, sie würde endlich für immer im Dschungel verschwinden.« Eine Träne löste sich und landete auf meinem Arm. »Dann war sie plötzlich weg. Ich war nicht gut genug gewesen, um Erste zu werden, und ich war nicht gut genug gewesen, um sie zum Bleiben zu bewegen.«
Als ich wieder zu weinen begann, umarmte Ian mich. Ich schlang die Arme um ihn und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter. Er fühlte sich so stark und groß an. Was war eigentlich aus dem kleinen Jungen geworden, der früher immer auf meinem Schoß gesessen hatte?
»Es ist nicht deine Schuld«, versicherte Ian mir.
»Er hat recht, Avery.«
Wir drehten uns um und sahen meinen Vater im Türrahmen stehen. Eine tiefe Furche hatte sich in seine Stirn gegraben. Er kam durch das Zimmer auf uns zu und setzte sich auf die andere Seite des Bettes.
»Keiner hat Schuld«, erklärte Dad uns. »Lange Zeit hab ich mir selbst Vorwürfe gemacht. Ich dachte, ich hätte sie vielleicht zu früh gedrängt, mich zu heiraten. Hatte sie gedrängt, eine Familie zu gründen, ehe sie dazu bereit war. Ich dachte, ich hätte ihr nicht genügend Freiheiten gelassen oder sie nicht ausreichend ermutigt oder geliebt, und mir fielen noch hundert andere Dinge ein, die ich vielleicht hätte anders machen sollen. Aber die vielen Bücher, die ich mittlerweile gelesen habe, machten mir klar, dass es nie um uns gegangen war. Sondern allein um sie. Es war allein ihre Entscheidung gewesen, zu gehen, und es gibt nichts, was wir hätten tun oder sagen können, um sie zum Bleiben zu bewegen. Wir mögen zwar die wahren Gründe für ihr Verschwinden nie erfahren, aber es war ganz entschieden nicht deine Schuld.«
D ad zog uns beide in eine feste Umarmung und gab jedem von uns einen
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