Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
Meybaum?«
»Na, bei der Selm-Böden.«
Lars wurde es warm. Sollte die alte Schachtel tatsächlich zum Oberboss gelaufen sein?
»Ich hatte eine Auseinandersetzung mit ihr, aber wir haben das geregelt.«
Meybaum verzog die Lippen. »Was genau?«
Lars schilderte den Vorfall ausführlich und wahrheitsgetreu.
»Das habe ich befürchtet«, sagte Meybaum. »Die Selm-Böden hat das alles etwas anders dargestellt.«
Jetzt wurde es Lars heiß.
»Ich muss dich zum Direktor bringen. Außerordentliche Schulkonferenz.« Er schaute Lars direkt in die Augen. »Du bist mein bester Schüler. Du liebst die Mathematik. Ich werde mich für dich einsetzen, aber erwarte nicht zu viel. Ich habe nur eine Stimme.«
Lars fühlte den Boden unter seinen Füßen weich werden. Sie wollten ihn rausschmeißen, weil er dieser verdammten Schlampe ihre Grenzen aufgezeigt hatte. Was war das für ein widerlicher Haufen von speichelleckenden Vasallen! Er spielte einen Moment mit dem Gedanken, einfach nach Hause zu gehen, aber wie sollte er das Mutter klarmachen? Sie würde vor Kummer sterben. Nein, er würde kämpfen!
Im Büro des Direktors hatten sich die Richter versammelt: die Selm-Böden, der Direktor, der Stellvertreter des Direktors, der Stufenleiter und sogar der Elternsprecher.
Sie nahmen Platz, der Direktor begann ohne Umschweife.
»Herr Rüttgen, sind Sie bereit, sich bei Frau Selm-Böden zu entschuldigen?«
Lars dachte an seine Mutter und an seine Ziele, lächelte und wandte sich der Schreckschraube zu, die er am liebsten mit den bloßen Händen erwürgt hätte.
»Sie sind mir zuvorgekommen, ich hatte sowieso vorgehabt, mich für mein Verhalten zu entschuldigen. Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist. Sie können versichert sein, dass das nie wieder vorkommen wird. Es tut mir aufrichtig leid. Ichhatte keine leichte Kindheit, mein Vater hat meine Mutter immer als Prostituierte beschimpft. Deswegen sind mir wohl die Nerven durchgegangen.«
Der Direktor nickte, die Selm-Böden blickte an Lars vorbei und presste ihre Lippen aufeinander.
»In Ordnung, Herr Rüttgen, mit dieser Entschuldigung und Ihrer Offenheit ersparen Sie sich eine Menger Ärger.«
Lars atmete auf. Gut, dass er sich im richtigen Moment unter Kontrolle hatte.
»Frau Selm-Böden wird auf eine Anzeige wegen Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsentzug gegen Sie verzichten.«
Lars spürte Schweißperlen auf der Stirn. Was sollte das denn? »Ich verstehe nicht ganz?«, fragte Lars. »Körperverletzung? Nötigung? Freiheitsentzug? Reden wir hier von derselben Sache?«
»Das tun wir allerdings. Wir haben die ganze Klasse befragt, und alle haben dasselbe ausgesagt. Alle sind bereit, das auch vor der Polizei zu wiederholen. Aber wie gesagt, wir verzichten auf eine Anzeige. Die Schule müssen Sie jedoch verlassen. Und zwar sofort. Sollten Sie sich weigern, machen wir von unserem Hausrecht Gebrauch.« Meybaum meldete sich, wollte sprechen, doch der Direktor schnitt ihm das Wort ab. »Sie sind in diesem Fall befangen. Wir wissen, wie Sie zu Herrn Rüttgen stehen, und uns ist klar, dass Sie alles versuchen würden, um ihn zu schützen.«
Meybaum lief rot an. »Was glauben Sie …«
Lars legte ihm eine Hand auf den Unterarm. »Lassen Sie es gut sein, Dr. Meybaum. Ich weiß Ihren Einsatz zu schätzen.« Es war sinnlos, dass sich Meybaum opferte. Lars setzte ein überlegenes Lächeln auf. »Wenn Sie glauben, mich von dem, was ich tun will, abhalten zu können, haben Sie sich getäuscht.« Langsam stand er auf, blickte seinen Richtern und Henkernin die Augen und genoss die Angst und die Verwirrung darin. Dr. Meybaum reichte er die Hand, der sie sofort ergriff und dabei aufstand. »Herr Dr. Meybaum. Sie sind der beste Lehrer, den ich je gehabt habe und mit Abstand der beste Pädagoge an diesem perversen Bildungsinstitut. Ich wünsche Ihnen alles Gute.« Lars schüttelte die Hand kräftig, öffnete die Tür, verließ den Raum und schloss die Tür ohne Geräusch.
Mit starrem Blick verließ er die Schule, fuhr mit dem nächsten Bus nach Unterbach, lief in den Wald und schrie sich eine Stunde lang die Seele aus dem Leib, bis sein Rachen schmerzte. Er hieb mit abgebrochenen Ästen auf Bäume ein, warf Steine so weit er konnte. Er zertrampelte einen Ameisenhügel, beschimpfte die Tiere als ebenso einfältig wie die Menschen, mit denen er zu tun hatte. Nass geschwitzt hielt er inne, hob seine Arme zum Himmel und tat einen Schwur: »Diese Schmach kann nur mit Blut
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