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Der Schnee war schmutzig

Der Schnee war schmutzig

Titel: Der Schnee war schmutzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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erschreckt sie noch mehr, während Frank ruhig bleibt und etwas verächtlich sagt:
    »Bloß keine Angst. Er ist ein Freund meiner Mutter.«
    Das stimmt beinahe. Der Kommissar hat Lotte schon gekannt, als sie noch ein junges Mädchen war. Ist etwas zwischen ihnen gewesen? Möglich. Jedenfalls ist er jetzt ein Mann von fünfzig Jahren, breitschultrig und hager. Vermutlich ist er unverheiratet. Er spricht nämlich nie von seiner Frau und trägt keinen Ehering. Alle im Viertel außer Lotte haben Angst vor ihm.
    »Du kannst hereinkommen, Frank.«
    »Morgen, Herr Kommissar.«
    »Morgen, junger Mann.«
    »Frank, schenke Herrn Hamling einen Schnaps ein. Ich trinke auch gern einen.«
    Die Besuche des Kommissars verlaufen immer auf die gleiche Weise. Wenn er hereinkommt, sieht es so aus, als wolle er als Nachbar und guter Freund eben einmal guten Tag sagen. Er setzt sich auf den Stuhl, den man ihm anbietet, und trinkt den Schnaps, den man ihm kredenzt. Er steckt sich seine Zigarre an, knöpft seinen dicken schwarzen Mantel auf und seufzt befriedigt wie jemand, der froh ist, sich in einer gemütlichen und sympathischen Umgebung aufwärmen und etwas ausruhen zu können.
    Ständig glaubt man, er werde etwas sagen oder eine Frage stellen. In der ersten Zeit war Lotte auch davon überzeugt, daß er versuchte, sich über das zu informieren, was bei ihr vorging.
    Auch wenn sie sich einst kannten, so hatten sie sich doch jahrelang aus den Augen verloren, und er ist außerdem inzwischen Polizeikommissar geworden.
    »Der schmeckt«, sagt er und stellt das Glas auf einem Tischchen ab.
    »Der beste Schnaps, den man heute bekommen kann.«
    Dann folgt ein Schweigen, aber dieses Schweigen stört Kurt Hamling keineswegs. Vielleicht schweigt er absichtlich, weil er weiß, daß es die anderen verwirrt, besonders Lotte, die nur still ist, wenn sie den Mund voll hat.
    Er betrachtet das offene Klavier und die beiden kleinen Maniküretische mit harmloser Miene. Er hat Minna bemerkt, als sie aus dem Zimmer in die Küche gegangen ist, und wird begriffen haben, daß sie eine Neue ist. Schon im Treppenhaus hat er das Klavierspiel gehört.
    Was mag er denken? Man weiß es nicht. Man hat sich schon öfter darüber den Kopf zerbrochen.
    Er ist bestimmt über Lottes Tätigkeit im Bilde. Einmal ist er nachmittags gekommen – das einzigemal übrigens –, als gerade ein Kunde da war. Man hörte vom Salon aus Geräusche, die nur allzu eindeutig waren.
    Unter dem Vorwand, nach ihrem Ragout zu sehen, ist Lotte durch die Küche in das Zimmer gegangen und hat dem Mann gesagt, er dürfte nicht herauskommen, ehe sie ihm ein Zeichen mache.
    An jenem Tag war Hamling ausnahmsweise zwei Stunden geblieben, ohne Grund, ohne Entschuldigung, mit einer Miene, als mache er nur einen Höflichkeitsbesuch.
    Vielleicht kennt er Minna. Vielleicht hat sie Eltern, die die Polizei benachrichtigt haben.
    Lotte lächelt über das ganze Gesicht. Frank dagegen blickt ihn schroff an und versucht gar nicht erst, seine Antipathie zu verbergen. Hamling hat harte Züge und einen harten Körper. Er wirkt wie ein Mann aus Stein, und seine kleinen, von Ironie funkelnden Augen fallen darum um so mehr auf. Er scheint sich immer über einen lustig machen zu wollen.
    »Die Herren haben heute in Ihrer Straße Arbeit gehabt.«
    Frank zuckt nicht zusammen. Seine Mutter kann sich aber kaum zurückhalten, ihn anzusehen, als ob sie fühlte, daß ihr Sohn in die Sache verwickelt ist.
    »Ein dicker Unteroffizier ist hundert Meter von hier in der Nähe der Gerberei ermordet worden. Er hat die Nacht im Schnee gelegen. Er kam von Timo.«
    Es klingt, als ob er das nur so hinsage. Er greift wieder nach seinem Glas, wärmt es in der hohlen Hand und trinkt bedächtig einen Schluck.
    »Ich habe nichts gehört«, sagt Lotte.
    »Man hat nicht geschossen. Man hat ihn erstochen. Es ist bereits jemand verhaftet worden.«
    Warum denkt Frank sofort: Holst?
    »Sie müssen ihn kennen, Frank. Es ist ein junger Mann in Ihrem Alter, er wohnt mit seiner Mutter hier im Haus, im ersten Stock, ganz hinten im linken Flur. Ein Geigenspieler.«
    »Ich bin manchmal einem jungen Mann mit einem Geigenkasten begegnet.«
    »Ich habe seinen Namen vergessen. Er behauptet, er habe heute nacht seine Wohnung nicht verlassen, und seine Mutter behauptet es natürlich auch. Er will auch niemals bei Timo gewesen sein. Nun, uns geht die ganze Angelegenheit nichts an. Die Herren führen die Untersuchung selbst. Ich habe nur sagen hören, sein

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