Der Schneesturm
unbedingt«, murmelte der Doktor und verließ das innere Zelt.
Ein Mädchen ergriff die Taschen des Doktors und trippelte hinterdrein.
Im Vorzelt halfen die Dienerinnen dem Doktor in den Mantel. Auch Bachtijar kam heraus.
»So. Und wo steckt mein Fuhrmann?«, fragte der Doktor und drehte suchend den Kopf, auf den er gerade die Fuchspelzmütze stülpte.
»In der Butze«, antwortete Bachtijar und deutete auf die in den Filz geschnittene Öffnung.
Der Doktor lugte hinein.
Da saß der Krächz in seinem Mobil und döste. Die bestiefelten Füße hingen in die offen stehende Kaube. Zwischen ihnen standen die Pferdchen und käuten.
»Kosma! Mein lieber Gefährte!«, rief der Doktor freudig aus.
Er war glücklich, seinen Krächz wiederzusehen, das Mobil und die Pferde.
Der Krächz erwachte und beeilte sich, die Füße aus der Kaube zu ziehen. Der Doktor ging auf ihn zu, warf die Tüte mit den Pyramiden hin, umarmte den Fuhrmann und zog ihn an seine Brust.
»Ich dachte …«, hob der Krächz zu einer Erklärung an, aber der Doktor drückte ihn nur noch fester.
Der Fuhrmann, der nicht wusste, wie ihm geschah, hielt still. Der Doktor trat einen Schritt zurück und schaute dem Krächz ins Gesicht.
»Alle Menschen sind Brüder, Kosma«, sprach der Doktor ernst und euphorisch, dann brach er in ein frohes Lachen aus. »Was habe ich dich vermisst, mein Freund!«
»Ich hab hier eine Winzigkeit gepennt«, antwortete der Krächz und schaute mit einem verlegenen Lächeln zur Seite.
Bachtijar beobachtete die beiden und hatte seine Freude.
»Hast du an mich gedacht?«, wollte der Doktor wissen, dabei schüttelte er den mageren Fuhrmann kräftig durch.
»Ich … dachte, Ihr wärt schlafen gegangen.«
»Nein, Bruder! Zum Schlafen ist jetzt keine Zeit. Das Leben ruft, mein lieber Kosma! Das Leben! … Fahren wir?«, fragte er und schüttelte den Fuhrmann schon wieder.
»Jetzt?«, wagte der Krächz zu fragen.
»Jawohl! Jetzt und auf der Stelle! Wir fahren! Wir fahren!« Der Doktor hörte nicht auf, den Fuhrmann zu schütteln.
»Hm. Von mir aus …«
»Aber ja! Lass uns fahren, Freund!«
Die Pferdchen, eben noch dabei, den ihnen vorgeworfenen Haferschrot zu mampfen, hatten prustend die Mäuler gehoben und verfolgten interessiert, was vorging.
»Wenn Ihr meint … Dann fahrn wir eben.«
»Natürlich meine ich das, mein Freund! Wir fahren! Um den Menschen schleunigst ein Gutes zu tun! Verstehst du das?«
»Ja nu, wie sollt ich nich.«
»Na also! Dann fahren wir!«
Er ließ den Krächz los, der sogleich geschäftig wurde, sich am Mobil zu schaffen machte, das Gepäck festzurrte.
»Verstau das gut!«, sagte der Doktor und deutete auf die Tüte mit den Pyramiden.
Der Fuhrmann schob sie unter den Sitz.
Bachtijar knöpfte sich den Laserschneider vom Gürtel und richtete ihn auf die Filzwand der Butze. Ein Flammenstrahl blitzte auf in nadelspitzem kaltem Blau, ein unangenehm scharfes Knistern war zu hören, es rauchte und stank. Geschickt schnitt Bachtijar eine Ausfahrt in den Filz, die er zuletzt mit einem kräftigen Tritt hinausschlug. Gleich war die Butze voll mit wirbelndem Schnee. Der Doktor rannte ins Freie. Um ihn her pfiff und wütete der Sturm.
Der Doktor nahm die Mütze ab, schlug ein Kreuz und verneigte sich vor diesem kalten, weißen, pfeifenden Raum, der seine Heimat war.
»Hü!«, hörte er den Krächz dumpf aus der Butze rufen.
Das Mobil kam aus der Öffnung geglitten, ließ den wärmenden Filz der Butzenhöhle hinter sich.
Der Doktor setzt die Pelzmütze wieder auf. Breitbeinig, mit gespreizten Armen stand er da, als wollte er diesen Schneesturm umarmen wie zuvor den Krächz, ihn an seine Brust ziehen. »Oho-o-o-oh!«, rief er.
Die Antwort war ein Heulen.
»Hat sich noch nich beruhigt, das Wetter. Schlägt über alle Stränge!«, sagte der Fuhrmann lachend.
»Macht nichts! Wir fahren! Wir fa-a-a-hren!«, brüllte der Doktor.
»Immer geradeaus, dann kommst du genau ins Dorf!«, rief Bachtijar aus dem Schutz der Butze.
»Ausgezeichnet!«, sagte der Doktor und nickte.
»Auf gehts, ihr Faulpelze! He-hoppa!«, rief der Krächz mit dünner Stimme und stieß einen Pfiff aus.
Die Pferdchen, mit Futter und Wärme fürs Erste versorgt, gingen die Fahrt munter an. Das Mobil glitt übers freie Feld. Derweil nahm das Schneetreiben weder zu noch ab; gleichbleibend stoben die Flocken, gleichbleibend schlecht war die Sicht nach vorne und nach den Seiten. Der Fuhrmann, satt und aufgewärmt auch er und sogar mit
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