Der Schneesturm
brummte Suchtaus, sich über das schweißnasse Gesicht fahrend und schniefend. »Wenn nicht neuneinhalb.«
La Le Lu sagte gar nichts, schüttelte nur den Kopf, der so rund war wie eine Melone, und rieb sich die geschlitzten Augen.
Auch der Doktor war zu sich gekommen; minutenlang saß er in völliger Erstarrung. Der Kneifer baumelte auf seiner Brust; die Nase erschien größer denn je, mächtig auskragend über seinen Mund. Plötzlich sprangder Doktor auf, bekreuzigte sich schwungvoll und rief: »Gott sei gepriesen!«
Worauf er schlagartig zu greinen anfing wie ein kleines Kind, auf die Knie fiel und das Gesicht in den Händen vergrub. Zwei Mädchen kamen geeilt und legten die Arme um ihn. Leistritt gab ihnen einen mahnenden Wink, worauf sie sich wieder zurückzogen.
Als der Doktor sich ausgeheult hatte, kramte er sein Taschentuch hervor und schnäuzte trompetend hinein, wischte sich die Augen, setzte den Kneifer auf die Nase und stand auf.
»Welch ein Glück, dass wir am Leben sind!«, verkündete er.
Und lachte auf einmal, lachte so herzlich, dass der Kopf wackelte und die Arme schlenkerten. Das Lachen ging in ein Keckern über; es wurde zunehmend hysterisch.
Die Dopaminierer ließen sich anstecken. Erst lächelten und dann lachten sie, fielen von den Stühlen vor Lachen, den Dienerinnen in die Arme. Sie konnten zu lachen gar nicht wieder aufhören, es war quälend. Manchmal gab es eine Pause, in der sie nur still lächelnd den Kopf schüttelten; im nächsten Moment schütteten sie sich wieder aus vor Lachen. Am meisten hatte der Doktor unter diesem Lachanfall zu leiden – schließlich hatte er das Produkt zum ersten Mal probiert. Vor Lachen krümmte er sich auf dem Filzboden, juchzte und japste, versprühte Speichel, klatschte in die Hände, klagte, er könne nicht mehr, schüttelte den Kopf, drohte wer weiß wem mit dem Finger, stöhnte und ächzte, jammerte und lachte, lachte, lachte. Seine Nase war puterrot wie vom Schnaps, auch in die bebenden Wangen schoss das Blut.
Leistritt gab einem der Mädchen ein Zeichen; siespritzte dem Doktor Wasser über das gerötete Gesicht.
Allmählich beruhigte er sich. Lag auf dem Rücken, bekam einen Schluckauf. Wieder zu Atem gekommen, setzte er sich auf. Ein Mädchen reichte ihm Wasser. Er trank und seufzte herzhaft. Beförderte noch einmal sein Taschentuch zutage, schnäuzte sich, wischte sein Gesicht. Setzte den Kneifer auf. Und sprach in tiefem Ernst, den Dopaminierern am Tisch in die Augen sehend:
»Große Sache!«
Die drei nickten wissend.
»Was kostet so eins?«, fragte der Doktor, während er sich erhob und die Kleider richtete.
»Einen Zehner.«
»Dann nehme ich zwei.« Er griff in die Tasche nach der Geldbörse, entnahm ihr, was darin war: zwei Zehner, ein Dreier und der Fünfer, der dem Krächz versprochen war.
»Kein Problem, Doktor!«, sagte Leistritt lächelnd. »Samira!«
Das Mädchen klappte die Truhe auf und entnahm ihr zwei Pyramiden. Der Doktor warf die beiden Zehner auf den schwarzen Tisch. Leistritts dürre Hand mit den ätherischen Fingern griff danach. Das Mädchen steckte die Pyramiden in eine Tüte und reichte sie dem Doktor. Der nahm sie und schüttelte munter den Kopf.
»Dann will ich mal, meine Herren!«
»Sie wollen fahren?«, fragte Suchtaus.
»Unbedingt!«
»Wollen Sie nicht die Nacht bei uns abwarten?«, fragte Leistritt. Er griff sich an die linke Schulter. Augenblicklich kam ein Mädchen geeilt und ging daran, sie zu massieren.
»Nein, nein«, sagte der Doktor und schüttelte energisch den Kopf, »ich muss los. Höchste Zeit!«
»Wie Sie meinen. Hier ist es jedenfalls warm und gemütlich. Besonders nachts«, fügte Leistritt an und zwinkerte den Mädchen zu.
Die lachten einträchtig, und auf einmal schmetterten sie im Chor: »Dann kommt auch der Sandmann! Leis tritt er ins Haus! Sucht aus seinen Träumen! Dir den schönsten aus!«
Die Dopaminierer lächelten.
»Drum schlaf auch du, La Le Lu!«, rief das gewitzteste der Mädchen mit piepsiger Stimme.
La Le Lus Mondgesicht zerfloss zu einem Strahlen. Doch das allgemeine Dopamingrinsen schien dem Doktor Beine zu machen: Er wollte nichts wie hinaus aus dieser Filzidylle in Gottes freie Natur.
»Ich danke Ihnen, meine Herren!«, sprach er laut und vernehmlich, nickte in alle Richtungen und begab sich zur Filzpforte, die eines der Mädchen beflissen für ihn aufhielt.
»Schauen Sie doch auf dem Rückweg wieder herein!«, schlug Suchtaus vor.
»Das machen wir
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