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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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habe?»
    «Nein. Pleis ist gut. Will nicht geben Mantel Ihnen. Geb ihn Fan Kwei, was wegleist lasch lasch.»
    Diesem Kauderwelsch entnahm ich, daß der Kleine Li den Mantel irgendeinem «fremden Teufel» verkaufen wollte, der Peking sofort verließ. Ich erkundigte mich nach dem Grund dieser Bevorzugung.
    «Diese Mandalinmantel blingt viele Unglück.»
    «So? Trotzdem brauchen Sie keine Angst zu haben. Ich will ihn ja nicht tragen.»
    Nach längerem Hin und Her fand sich der Kleine Li bereit, mir das verkaufte Stück zu lassen. Er hatte seine Pflicht getan und mich gewarnt; wenn ich mich nicht fürchten wollte, konnte man eben nichts machen. Und dann brachte der Mantel nur demjenigen Unglück, der ihn trug. In einer Truhe eingeschlossen, vermochte er nicht zu schaden.
    Und tatsächlich hat sich an meinem Leben, seit ich den Mandarinmantel gekauft habe, nichts verändert. Aber unterdessen erfuhr ich, warum ein so wundervolles Gewand in Verruf kam. In der Seidenwelt galt der Mantel als unverkäuflich. Er steht im Mittelpunkt einer Legende, die man mir erzählt hat:
    Zur Regierungszeit Chuang-li-tis, des letzten Ming-Kaisers, lebte in Peking eine Jungfrau namens Yu, das heißt «Jade». Sie war sechzehn Jahre alt, da wurden ihre Eltern aufgefordert, sie in die Verbotene Stadt zu schicken, wo die Konkubinen des Himmelssohnes ausgewählt werden sollten. Yu vermochte allen Prüfungen standzuhalten, und man ernannte sie zur Konkubine Zweiten Grades. Ihr Name wurde in ein Täfelchen aus Jade eingemeißelt, das neben anderen, ähnlichen Täfelchen in den kaiserlichen Gemächern stand. Wenn der Sohn des Himmels Yus Anwesenheit wünschte, wandte er das Täfelchen um, das ihren Namen trug. Dann hüllte sie einer der Eunuchen in eine Decke aus roter Seide und trug sie durch die Höfe in des Kaisers Gemach.
    Yu war schön. Und oft wandte der Kaiser ihr Namenstäfelchen auf dem Elfenbeintisch um.
    Unter den Konkubinen befand sich auch ein Mädchen namens Yè (das heißt Blatt), die war früher des Kaisers Favoritin gewesen. Aber seit Yus Ankunft blieben alle anderen Täfelchen unberührt. Und Yè wurde eifersüchtig.
    Eines Tages erhielt Yè die Erlaubnis, die Verbotene Stadt zu verlassen, um einen Taoistentempel zu besuchen, in dem die Drei Reinen verehrt wurden. Von einem der Tempelpriester kaufte sie einen Faden weißer Seide, in dem ein mächtiger und böser Geist stak. Als sie wieder daheim war, bat sie darum, eigenhändig ein Staatsgewand für den Sohn des Himmels sticken zu dürfen. Also ordnete der Obereunuch an, daß man ihr gelben Atlas und schwere, weiche Seidenfäden bringen sollte, Fäden in allen Farben sowie Fäden aus Silber und Fäden aus Gold.
    Dann machte sich Yè an die Arbeit. Zwei Jahre lang stickte und stickte sie. Der weiße Unglücksfaden wurde in eines der Sinnbilder eingearbeitet, die nur der Kaiser tragen darf. Aber in welches Sinnbild — das wußte niemand.
    Als das Staatsgewand fertig war, durfte es die Konkubine Yè persönlich dem Sohn des Himmels überreichen. Der bewunderte es und legte es an, und wieder einmal wurde Yès Täfelchen auf dem Elfenbeintisch umgewandt.
    Aber der Zauber wirkte.
    In jener Nacht kamen von Shan-hai-kwan, an der Großen Mauer, Boten, die böse Nachricht brachten. Nach dreißig Jahren des Krieges waren die Mandschus eingedrungen. Ihre Reiterei überflutete China. Der Rauch brennender Städte zeigte den Weg, den sie nahmen.’
    Auf dem Hügel Mei-shan innerhalb der Palastmauern schritt der Kaiser auf und ab, allein, von seinem Hof im Stich gelassen. Er trug ein reichgesticktes Gewand aus gelbem Atlas. Vom höchsten der drei Pavillons, die auf diesem Hügel erbaut sind, sah er zu, wie die Flammen von den Osttürmen aufstiegen, wo der Feind angriff.
    Eine Stunde später verließ ein Eunuch mit reicher Beute den Palast und durchquerte den Mei-shan-Garten. Als er den Hang hinauf stieg, stürzte er beinahe über eine grimmige Gestalt, die am Zweig einer verkrümmten Pinie baumelte. Von plötzlichem Entsetzen erfaßt, wich er zurück und fiel unwillkürlich aufs Knie, niedergezwungen von der altgewohnten Verehrung für den Träger dieses prächtigen Gewandes. Aber ringsum herrschte Schweigen, und der heiße Wind trug den Geruch brennender Häuser herüber. Der Eunuch faßte Mut und kam näher. Von der Hand des Himmelssohnes, die noch nicht im Tod erstarrt war, zog er den grünen, jadenen Pang-dze, den «Ring des Bogenschützen».
     
    Dieses ist die Legende, die sich an meinen

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