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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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prachtvolle Geschenk wohl zu würdigen, aber die Erinnerungen, die es wachrief, waren zu schmerzlich und der Schmuck selbst zu kostbar, als daß wir ihn hätten annehmen können. Wie aber sollten wir ihn der rechtmäßigen Besitzerin zurückstellen? Bei den bestehenden Postverbindungen schien es ausgeschlossen, einen Menschen zu erreichen, der ohne feste Adresse bei einem Nomadenstamm lebte, irgendwo auf dem nordasiatischen Hochplateau.
    Ich bat meine Freunde, die Priester aus dem Lamatempel, um Hilfe und übergab ihnen ein an den Abt gerichtetes Schreiben, das auch einen Brief an Elisalex enthielt. Aber die Monate vergingen, und ich bekam keine Antwort. Allerdings hatte ich kaum darauf gehofft.
    Und dann brachte mir eines Tages, zu Anfang des Sommers, die Post einen großen grauen Umschlag mit französischer Marke. Er enthielt einen Brief Donald Parramoors, ein Notenblatt und ein Paar winziger Kinderschuhe, die aus Wolle und Seide gestrickt waren. Durch die Wolle lief ein goldener Faden.
    Der Brief lautete:
     
    «Lieber Schneider himmlischer Hosen!
     
    Ich versprach Ihnen einmal, Fräulein Kuniang ein Paar goldne Pantöffelchen zu schicken, wenn unsere Revue ein Erfolg werden sollte.
    Sie ist ein Erfolg geworden. Sie lief drei Monate in Paris und fünf in London. Die Kostüme waren einfach zu schön. Onkel Donald hat sich selbst übertroffen, und die Girls zeigten annehmbare Beine.
    Da sind also die Pantoffel. Vielleicht werden Sie sie etwas klein finden. Aber ich kenne Fräulein Kuniangs Schuhnummer nicht. Übrigens habe ich gehört, daß Sie sie geheiratet haben. Hals- und Beinbruch! Darum ließ ich die Schuhe für das Baby machen — bis es kommt. Mutti kann ihm das alte Lied vorsingen, wenn sie die Wiege schaukelt. Die Noten lege ich bei.
    Ich erfuhr die große Neuigkeit von einer jungen Russin, die mir erzählt hat, daß sie in Peking oft mit Ihnen beisammen war und Sie zuletzt in Charbin traf, wo Sie alle Hände voll zu tun hatten — mit Hochzeitsfeierlichkeiten. (Warum in aller Welt gerade in Charbin?) Sie nennt sich Fürstin Dorbon Oirad und ist einfach süß. Leider konnte ich nicht recht herauskriegen, wer Herr Dorbon Oirad ist. Es scheint, daß er sich um den Posten des Lebenden Buddha bewirbt, irgendwo ostwärts vom Suezkanal. Und die Dame läßt sich scheiden. Vorläufig lebt sie in Paris und trägt die verblüffendsten Toiletten. Ich habe ihr eigenhändig ein Kleid entworfen: aus weißer Spitze, mit applizierten Trauben aus schwarzem Samt.
    Wie so viele Flüchtlinge hat auch die Fürstin D. O. einen Laden aufgemacht. Das heißt, nicht eigentlich einen Laden, sondern eine russische Bar und ein chinesisches Restaurant, alles in einem. Das Restaurant ist im Hochparterre, die Bar im Souterrain. Das Lokal heißt . Soviel ich weiß, gibt es ein Lokal gleichen Namens in Moskau. Der Name bedeutet: . Jeder verlaufene Hund darf hereinkommen, und die meisten tun es auch, sobald die Vorstellung im Odéon vorbei ist. Ich vermute, daß Elisalex (sagte ich, daß sie Elisalex heißt?) allerhand herausschlägt, denn im vorigen Monat fuhr sie für zehn Tage an die Riviera.
    Elsie hat ihren französischen Offizier geheiratet, und die beiden haben ein Kind. Die goldnen Pantöffelchen stammen von ihr.
    Ich bewohne ein Appartement in der Rue Junot, und Norah führt mir die Wirtschaft.
    Haben Sie in letzter Zeit neue Seidenstoffe erstanden?
    Hat sich die Alte Gebieterin schon in ihren Sarg zurückgezogen?
     
    Schönste Grüße Ihnen allen
    Ihr alter
    Donald Parramoor.»
     
    Ich reichte Brief und Beilage Kuniang. Mit einem Ausruf des Entzückens hielt sie die Schühlein hoch.
    «Wie klug von Donald! Woher weiß er denn...?»
    Dann nahm sie die Noten und lief zu den Russen, um Matuschka zu bitten, sie möge ihr das Lied Vorspielen, bis sie es singen könne.
    Ich blieb im Arbeitszimmer. Donalds Brief und die kleinen Wollschuhe lagen auf meinem Schreibtisch. Wie den meisten Schriftstellern erscheint mir die Welt als eine Sammlung von Kurzgeschichten. Die goldnen Pantöffelchen waren das Ende der einen und der Beginn einer neuen.
    Aber wie stand es mit Elisalex?
    Auch für sie war eine Geschichte zu Ende gegangen. Der Abt befand sich in der Mongolei und sie in Paris, dem Mekka so vieler geflüchteter Mitglieder des russischen Adels.
    Rasputin und der Abt, ihre «Flirts», wie sie sie einmal genannt hatte, waren nicht die Männer, eine Frau glücklich zu machen. Obgleich ihr

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