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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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Mandarinmantel knüpft. Und die Erklärung, warum ich ihn so billig bekam.
    Aber ich hätte gerne gewußt, wieviel «Schmiergeld» Unvergleichliche Tugend vom Kleinen Li erpreßte.
     
     
     

Faun und Nymphe
     

1
     
    Knapp nach dem russischen Neujahr lud Kuniang zum erstenmal Elisalex ein. Sie kam, begleitet von Fjodor und Natascha, und alle drei wurden in das japanische Zimmer geführt. Aber während Fjodor und seine Schwester beseligt auf dem Boden Platz nahmen, zog Elisalex die Fauteuils meines Arbeitszimmers vor. So gingen wir nach dem Tee hinüber und ließen die jüngeren Mitglieder der Gesellschaft auf den japanischen Matten zurück. Ich freute mich, Elisalex näher kennenzulernen, und merkte bald, daß auch sie ihre Gründe hatte, warum sie mit mir allein sein wollte.
    Als wir jeder in seinem Fauteuil saßen und sie sich eine Zigarette angezündet hatte — ich kann mich nicht erinnern, Elisalex je ohne Zigarette gesehen zu haben —, begann sie:
    «Darf ich etwas fragen?»
    «Selbstverständlich. Nur weiß ich nicht, ob es mir möglich sein wird, Ihre Frage zu beantworten.»
    «Ich bilde mir ein, daß Sie Kuniang bloß deshalb zu Ihrer Sekretärin gemacht haben, damit sie nicht so viel mit uns beisammen ist. Habe ich recht?»
    «Darf ich Ihre Frage mit einer Gegenfrage beantworten? Glauben Sie wirklich, daß Matuschkas Haus der Ort ist, einem jungen Mädchen Schliff beizubringen?»
    Elisalex lachte. «Von diesem Standpunkt aus habe ich die Sache allerdings nicht betrachtet. Soviel ich weiß, wollte ihr Vater bloß verhindern, daß sie sich den ganzen Tag herumtreibt. Er schickte sie zu Matuschka, damit sich jemand um sie kümmert und sie beschäftigt. Längere Zeit ging sie hin, ohne daß Sie etwas dagegen eingewendet hätten. Erst seit meiner Ankunft sind Sie mißtrauisch. Kein Wunder. In Peking laufen genug sonderbare Geschichten über mich um. Einige davon mögen sogar wahr sein.»
    «Es fehlt Ihnen nicht an Aufrichtigkeit», gab ich zurück. «Aber ich will genau so aufrichtig sein. Ich traue Ihnen wirklich nicht restlos. Übrigens habe ich tatsächlich — das bleibt aber unter uns — einen anonymen Brief bekommen, der sich mit Ihnen beschäftigt. Aber er verrät nichts von Ihrer Vergangenheit, und ich für mein Teil achte nicht auf anonyme Briefe. Ich habe schon seit jeher gewünscht, Kuniangs Vater hätte etwas Besseres für sie gefunden als Matuschkas Haus. Die Leute dort sind mir etwas zu primitiv in ihren Gewohnheiten; außerdem behandeln sie Kuniang zu sehr als Familienmitglied, schon gar, wenn Matuschka sich ärgert.»
    Elisalex sah sich nach einem Aschenbecher um. Ich stellte ihn neben sie, dazu die Zigarettendose.
    «Eigentlich muß ich Ihnen recht geben und Ihr Vorgehen billigen», meinte sie. «Aber da ich Kuniang gern habe, wollte ich mich vergewissern, daß Sie mir nichts in den Weg legen, wenn ich sie sehen will.»
    «Nicht das mindeste. Selbst wenn ich es wollte — was gar nicht der Fall ist —, hätte ich kein Recht dazu.»
    «Es handelt sich hier nicht um Recht, sondern um guten Willen. Wäre Ihnen leichter, wenn Sie mehr von mir wüßten?»
    «Sie geben mir nicht den geringsten Anlaß zur Sorge, also kann auch von Erleichterung keine Rede sein. Aber ich möchte gern mehr von Ihnen wissen. Ich habe mir schon oft den Kopf darüber zerbrochen, was Sie hier in Peking machen, mutterseelenallein.»
    «Warum sagen Sie ? Ich wohne doch bei Ihren Nachbarn. Ich komme mir sogar beinahe vor wie ein Familienmitglied. Patuschkas Großvater war Leibeigener auf unseren Gütern, als der Reichtum eines Grundbesitzers noch nach Seelen gezählt wurde. Trotzdem ich Fjodor erlaube, mich als Modell zu benützen, bilden sie sich ein, ich sei noch immer eine große Dame und könnte sie für jede Kleinigkeit nach Sibirien schicken, wie zur Zeit meines Großvaters. Dabei bin ich die Verbannte! Und da Sie danach gefragt haben, teile ich Ihnen mit, daß ich in Peking bin, weil ich zu Hause Unannehmlichkeiten hatte; außerdem fiel ich in Ungnade.»
    «Sie sind also wirklich Kommunistin und warten auf die Revolution, um nach Rußland zurückkehren zu können?»
    «In gewissem Sinne schon; denn ich darf nicht zurück, bevor nicht verschiedenes sich geändert hat. Ich glaube kaum, daß ich noch lange werde warten müssen. Eine kommunistische Revolution allerdings würde mir wenig helfen. Rußland kann nur von Autokraten zusammengehalten werden. Es zerfällt, weil der Zar weder zu führen

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