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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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Ruhe finden, darum stand ich auf, nahm meinen Mantel um und ging hinaus, die Tür leise hinter mir schließend. Ich traf Elisalex; beim Schein einer Kerze (da der Wagen für sich allein stand, hatte er kein elektrisches Licht) ordnete sie Papiere. Sie war vollständig angekleidet und wollte sich offenbar nicht niederlegen.
    «Ich kann morgen reichlich ausschlafen», erklärte sie, «auf der Fahrt nach Manchuli.»
    Ich begleitete sie in ihr Abteil, und wir plauderten eine Weile; sie
    rauchte eine Zigarette nach der anderen.
    «Paul Dysart ist also gestorben», sagte Elisalex. «Ich begreife, daß ihn schließlich der Traum getötet hat. Kein Wunder.»
    «Jawohl. Aber er hat auch Kuniang getroffen. Ihre Warnung kam knapp zu spät, selbst wenn ich hätte eingreifen können. Aber erzählen Sie mir eines: wie kommt es, daß Sie selbst Kuniang nicht gewarnt haben, als sie Ihnen von Pauls Traum erzählte?»
    «Kuniang hat mit mir nie über Pauls Traum gesprochen, und ich wollte ihr nicht sagen, was ich Ihnen gesagt habe. Je weniger Kuniang davon erfährt, desto besser.»
    «Das verstehe ich nicht. Woher wußten Sie denn alles, wenn nicht von Kuniang? Außer Paul war sie die einzige, die Ihnen den Inhalt des Traumes hätte erzählen können.»
    Elisalex gab keine Antwort, sah mich aber sonderbar an. Dann griff sie nach einem kleinen Suitcase, das neben ihr auf dem Boden lag, hob es auf den Sitz zwischen uns und öffnete es. In dem Inhalt, der, soviel ich sah, ausschließlich aus Papieren bestand, begann sie zu kramen, holte ein großes Kuvert heraus, das offenbar nur Photographien enthielt, suchte eine heraus und reichte sie mir.
    «Wird Ihnen jetzt manches klar?»
    Es war ein Gruppenbild, und als mein Blick darauf fiel, erkannte ich die seltsame Szene, die mir Kuniang beschrieben hatte: die Trauungsszene, die sie als Pauls Braut miterlebte. Da stand im Hintergrund der lange Bankettisch, um den Leute saßen (das alles war etwas verschwommen). Da standen die Soldaten in einer Reihe, als bildeten sie eine Ehrenwache. Da standen die beiden Priester mit langen Bärten und großen schwarzen Hüten (kein schönes Paar). Da standen die beiden jungen Mädchen, die vielleicht als Brautjungfern gedient hatten. Die eine war sehr hübsch. Und da stand, in Brautschleier und gebauschtem Rock — nicht Kuniang, sondern Elisalex. Der Schleier fiel ihr in zwei geraden Strichen über den Kopf und reichte bis zum Boden. Er verhüllte die Schultern, ließ aber den Oberkörper nackt: zwischen den Brüsten leuchtete der Diamantstern.
    Ich hatte wahrhaftig nicht erwartet, eine Photographie der Szene zu sehen, die bei Kuniang in so schmerzlicher Erinnerung stand. Die Einzelheiten stimmten tatsächlich mit ihrer Beschreibung überein. Aber das Bild des Bräutigams enthüllte mir in einem plötzlichen Erkenntnisblitz, was ich nie erraten, nicht einmal dumpf geahnt hätte: die große, schlanke Gestalt in dem um die schmalen Hüften gegürteten Kosakenrock war nicht zu verkennen; das gleichmütige Gesicht mit den geschlitzten Mongolenaugen; die schönen Hände, deren eine die Hand der Braut emporhielt. Paul war es natürlich nicht. Aber wie kam es, daß ich nie erkannt, nie erraten hatte, daß sein Traumdasein das Leben des Abtes war?
    Weil ich nie an einen realen Hintergrund von Pauls Traum geglaubt hatte, obwohl ich von Elisalex wußte, daß sie die Frau war, deren Rolle Kuniang spielte. Ich hatte das wundervolle Brillantkreuz gesehen, das in einen Diamantstern eingearbeitet war; dasselbe, das immer im Traum vorkam. Und Elisalex gab mir noch einen weiteren Beweis, als sie mich vor der Gefahr warnte, unter deren entsetzlichen Folgen Kuniang bis an das Ende ihrer Tage leiden würde. Es war keine müßige Warnung gewesen. Dennoch erschien mir das Ganze zu phantastisch, zu unwirklich. So etwas gab es nur in den «Schattenbildern»: Träume, die aus dem Elfenbeintor hervorkommen und niemals wahr werden.
    Ein Umstand allerdings — eine Kleinigkeit — hätte mir diç Wahrheit enthüllen müssen: das Parfüm, das Elisalex benützte; das Parfüm, von dem in jener Nacht die Straße an der Tatarenmauer duftete, als ich sie in die Rikscha steigen und im Dunkel verschwinden sah. Wie war es möglich, daß ich das Parfüm nicht wiedererkannt hatte, obgleich es mir auffiel und so vertraut vorkam; das Parfüm, nach dem das Blatt Papier roch, das ich damals mit den beiden Walnüssen aufgehoben hatte, unter den Fliederbüschen im Hof des Lamatempels? Derselbe Duft

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