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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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daß Sie Schulden gemacht haben. Stimmt’s? Ich sagte: Stimmt’s? «
    »Andy, ich danke meinem Schöpfer jeden Tag dafür, und die Vorstellung, daß ich meine Schulden abarbeite, beflügelt mich. Stimmt denn irgend etwas nicht?«
    Osnard sprach jetzt mit der Stimme eines Aufsehers, dabei war er bisher auch immer nur gegängelt, meist noch verprügelt worden.
    »Ja, allerdings. Da stimmt eine ganze Menge nicht.«
    »Du liebe Zeit.«
    »Ich fürchte, London ist längst nicht so zufrieden mit Ihnen, wie Sie es mit sich zu sein scheinen.«
    »Und wie kommt das, Andy?«
    »Einfach so. Eigentlich nichts Schlimmes. Nur daß man dort inzwischen meint, Superspion H. Pendel sei ein überbezahlter, heimtückischer, verlogener, doppelzüngiger Betrüger.«
     
    Pendels Lächeln erlebte eine langsame aber totale Sonnenfinsternis. Seine Schultern sanken herab, seine Hände, die ihn bis dahin auf dem Bett abgestützt hatten, schoben sich unterwürfig nach vorn, zum Zeichen, daß sie dem Polizisten nichts Böses antun wollten.
    »Wurden irgendwelche besonderen Gründe genannt, Andy? Oder hat man sich ganz allgemein so geäußert?«
    »Des weiteren ist man auch mit Mr. Mickie Abraxas sehr unzufrieden.«
    Pendels Kopf fuhr hoch.
    »Warum? Was hat Mickie denn getan?« fragte er unerwartet heftig – das heißt, unerwartet von ihm selbst. »Mickie hat damit nichts zu tun«, fügte er aggressiv hinzu.
    » Womit nicht?«
    »Mickie hat nichts getan.«
    »Richtig. Das ist es ja eben. Er hat schon viel zu lange nichts getan. Abgesehen davon, daß er als Zeichen seines guten Willens gnädigerweise zehntausend Dollar in bar und im voraus von uns akzeptiert hat. Und was haben Sie getan? Auch nichts. Zugesehen, wie Mickie sich im Nabel gebohrt hat.« Er sprach jetzt mit dem schneidenden Sarkasmus eines Schuljungen. »Und was habe ich getan? Ihnen eine sehr stattliche Prämie für produktiven – haha – Einsatz verschafft; und der, um es mal deutlich zu sagen, ist darauf hinausgelaufen, daß Sie mit diesem Abraxas, dem Tyrannenmörder und Fürsprecher des kleinen Mannes, eine geradezu sensationell unproduktive Quelle rekrutiert haben. London hat sich schiefgelacht. Dort fragt man sich, ob der Agentenführer – also ich – nicht doch noch ein wenig zu feucht hinter den Ohren ist, ein wenig zu einfältig für die Zusammenarbeit mit trägen, geldgierigen Schmarotzern wie Abraxas und Ihnen.«
    Osnards Tirade war auf taube Ohren gestoßen. Anstatt sich kleinzumachen, schien Pendels körperliche Anspannung nachzulassen, als ob alle seine Befürchtungen plötzlich vorüber waren, als ob alles, womit sie beide jetzt noch zu tun hatten, im Vergleich zu seinen Alpträumen nurmehr eine Lappalie war. Seine Hände sanken auf die Bettdecke zurück, er schlug die Beine übereinander und lehnte sich wieder am Kopfende des Bettes an.
    »Und was hat London nun mit ihm vor, frage ich mich, Andy?« erkundigte er sich teilnahmsvoll.
     
    Osnard wechselte vom einschüchternden Tonfall zu dem blasierter Entrüstung.
    »Dauernd jammert er über seine Ehrenschulden. Und was ist mit den Ehrenschulden, die er uns gegenüber hat? Dauernd hält er uns hin – ›kann ich heute nicht sagen, nächsten Monat vielleicht‹ –, macht uns ganz scharf mit einer Verschwörung, die es gar nicht gibt: Studenten, mit denen nur er reden kann; Fischer, die nur mit den Studenten reden wollen, und so weiter, blabla. Wofür hält er sich eigentlich? Wofür hält er uns? Für dämliche Idioten?«
    »Das liegt an seiner Loyalität, Andy. An seinen hochsensiblen Quellen, genau wie bei Ihnen. An den Leuten, von denen er seine Weisungen erhält.«
    »Scheiß auf seine Loyalität! Wir warten jetzt seit drei verdammten Wochen auf seine tolle Loyalität! Wenn er wirklich so loyal ist, hätte er Ihnen nie etwas von seiner Bewegung ausgeplaudert. Hat er aber. Jetzt haben Sie ihn in der Hand. Und wenn man in unserem Gewerbe jemand in der Hand hat, dann macht man auch was daraus. Man läßt nicht alles und jeden auf die Antwort warten, was der Sinn des Lebens ist, bloß weil irgendein altruistisches versoffenes Wrack noch drei Wochen braucht, bis er von seinen Freunden die Erlaubnis bekommt, sie einem zu sagen.«
    »Was werden Sie jetzt machen, Andy?« fragte Pendel ruhig.
    Wäre Osnards Gehör oder Gespür fein genug gewesen, hätte er in Pendels Stimme denselben Unterton vernehmen können, der auch vor einigen Wochen angeklungen war, als sie beim Lunch zum erstenmal über die Rekrutierung von

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