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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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geschickt, seit wir uns das letztemal getroffen haben?«
    »Nur die drei, Andy. Mehr konnte ich in der Zeit nicht schaffen. Ich bekomme unglaublich viele Aufträge. Der neue Clubraum tut wirklich was für die Bilanz, finde ich.«
    »Was für Briefe waren das?«
    »Zwei Rechnungen und eine Einladung zu einer Vorschau auf neue Attraktionen in der Boutique. Die sind doch gut geworden, oder? Manchmal bin ich mir da nämlich nicht so sicher.«
    »Sie drücken nicht kräftig genug auf. Die Schrift kommt auf den Kopien nicht gut raus. Benutzen Sie Kuli oder Bleistift?«
    »Bleistift, Andy, wie Sie mir geraten haben.«
    Osnard wühlte in den Tiefen seiner Aktentasche und zog schließlich einen normalen Holzbleistift hervor. »Versuchen Sie’s das nächstemal mit dem hier. H2. Ist härter.«
    Die zwei Frauen auf dem Bildschirm hatten den Mann verabschiedet und spendeten sich gegenseitig Trost.
     
    Material. Osnard gab Pendel die Insektenspraydose mit den Reservefilmen. Pendel schüttelte sie, drückte oben drauf und grinste, als sie funktionierte. Pendel äußerte sich besorgt über die Haltbarkeit seines Kohlepapiers, womöglich tauge es nichts mehr, Andy? Osnard gab ihm für alle Fälle ein neues Paket und sagte, was er von dem alten noch übrig habe, könne er wegschmeißen.
    Das Netzwerk. Osnard ließ sich über die Fortschritte jeder einzelnen Quelle unterrichten und schrieb alles in sein Notizbuch. Quelle Sabina, Martas Meisterschöpfung und Alter ego, systemkritische Politologiestudentin und Leiterin des maoistischen Geheimkaders in El Chorillo, bat um eine neue Druckerpresse, da ihre alte defekt war. Anschaffungskosten etwa fünftausend Dollar, aber vielleicht könnte Andy ja auch eine gebrauchte besorgen?
    »Die kauft sie selbst«, bestimmte Osnard knapp, während er »Druckerpresse« und »zehntausend Dollar« notierte. »Soll auf Distanz bleiben. Glaubt sie immer noch, daß sie ihre Informationen an die Yankees verkauft?«
    »Ja, Andy, solange Sebastian ihr nichts anderes erzählt.«
    Sebastian, auch er ein Geschöpf Martas, war Sabinas Liebhaber, ein verbitterter Anwalt des Volkes und ehemaliger Kämpfer gegen Noriega, der dank seiner verarmten Klientel Hintergrundinformationen über Merkwürdigkeiten wie das Innenleben der moslemischen Gemeinde Panamas liefern konnte.
    »Und was ist mit Alpha Beta?« fragte Osnard.
    Quelle Beta gehörte Pendel: Mitglied des Kanal-Beratungsausschusses der Nationalversammlung und nebenher Vermittler von ehrbaren Schlupflöchern für gewisse Bankkonten. Betas Tante Alpha war Sekretärin bei der panamaischen Handelskammer. In Panama hat jeder eine Tante, die irgendeinen nützlichen Job hat.
    »Beta ist auf dem Lande und streichelt seine Wähler, Andy, deshalb kommt zur Zeit nichts von ihm. Aber am Donnerstag hat er eine hübsche Sitzung mit der panamaischen Industrie- und Handelskammer und am Freitag ein Essen mit dem Vizepräsidenten, da gibt’s also Licht am Ende des Tunnels. Und seine letzten Informationen haben London doch gefallen, oder? Er hat manchmal das Gefühl, daß seine Arbeit nicht richtig gewürdigt wird.«
    »Doch, das war soweit nicht schlecht.«
    »Nur daß Beta sich gefragt hat, ob er eine Sonderprämie bekommen könnte.«
    Osnard schien sich das auch zu fragen, denn er machte sich eine Notiz, kritzelte eine Zahl dazu und kreiste sie ein.
    »Sag ich Ihnen beim nächstenmal«, meinte er. »Und Marco?«
    »Marco, will ich mal sagen, macht einen guten Eindruck, Andy. Wir sind zusammen ausgegangen, ich habe seine Frau kennengelernt, wir haben seinen Hund ausgeführt und waren im Kino.«
    »Und wann wollen Sie ihm die entscheidende Frage stellen?«
    »Nächste Woche, Andy, falls ich in der richtigen Stimmung bin.«
    »Dann seien Sie mal in der richtigen Stimmung. Anfangsgehalt fünfhundert die Woche, Überprüfung nach drei Monaten, zahlbar im voraus. Zusätzlich fünftausend in bar, wenn er sich schriftlich verpflichtet.«
    »Für Marco?«
    »Für Sie, Sie Esel«, sagte Osnard und reichte ihm in allen rosa Spiegeln auf einmal ein Glas Scotch.
     
    Osnard verfiel jetzt in die Körpersprache einer Autoritätsperson, die etwas Unangenehmes zu sagen hat. Seine elastischen Züge legten sich in unzufriedene Falten, und er warf einen finsteren Blick auf die Akrobaten, die sich auf dem Bildschirm tummelten.
    »Sie sind ja heute anscheinend gut aufgelegt«, begann er vorwurfsvoll.
    »Gewiß, Andy, und das habe ich nur Ihnen und London zu verdanken.«
    »Was für ein Glück,

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