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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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hier aus betrachtet.«
    Pendel hatte wieder seine Gefängnisaugen, finster und verschlossen. Doch von diesem Rückzug ins Innere bekam Osnard nichts mit, er zog es vor, seine Schlüsse über Louisa vorzutragen.
    »Ein absolutes Naturtalent, wenn Sie mich fragen.«
    »Wer?«
    »›Zielobjekt ist der Kanal‹«, grübelte er. »›Um den Kanal dreht sich alles.‹ London kann an gar nichts anderes mehr denken. Wer ihn bekommt. Was man damit anfängt. Ganz Whitehall macht sich in die gestreiften Hosen, um rauszukriegen, mit wem Delgado in dem Holzschuppen redet.« Er schloß nachdenklich die Augen. » Wunderbares Mädchen. Ein echter Volltreffer. Solide wie ein Fels, anhänglich wie eine Klette, treu bis ins Grab. Fabelhaftes Material.«
    »Wofür?«
    Osnard ließ sich den Scotch auf der Zunge zergehen. »Mit etwas Unterstützung von Ihnen, und wenn man es ihr auf die richtige Weise und mit den richtigen Worten schmackhaft macht, läuft die Sache von selbst«, überlegte er weiter. »Sie müssen nicht direkt aktiv werden. Soll ja keine Bombe in den Palast der Reiher schmuggeln oder sich mit den Studenten in deren Bruchbuden treffen oder mit diesen Fischern zur See fahren. Sie braucht nur Augen und Ohren offen zu halten.«
    »Wozu?«
    »Ihren Freund Andy brauchen Sie nicht zu erwähnen. Das war schon bei Abraxas und den anderen überflüssig. Also kein Wort von mir. Pochen Sie auf die ehelichen Bande, immer am besten. In Ehren halten und gehorchen. Louisa gibt Ihnen ihr Material. Sie geben es mir. Ich bring’s nach London rüber. Und los geht’s.«
    »Sie liebt den Kanal, Andy. Sie würde ihn niemals verraten. Das wäre nicht ihre Art.«
    »Sie soll ihn nicht verraten , Sie Esel! Sondern ihn retten, verdammt noch mal! Sie himmelt dieses Wundertier Delgado doch an!«
    »Sie ist Amerikanerin, Andy. Sie achtet Delgado, aber sie liebt auch Amerika.«
    »Amerika soll sie auch nicht verraten, verdammt noch mal! Sondern Uncle Sam für sich arbeiten lassen. Er soll seine Truppen am Ort behalten. Die Militärstützpunkte behalten. Kann sie noch mehr verlangen? Wenn sie den Kanal vor den Gangstern rettet, hilft sie Delgado; und wenn sie uns sagt, wie die Panamaer herummurksen und daß die US-Truppen deshalb erst recht bleiben müssen, hilft sie Amerika. Haben Sie was gesagt? Hab’s nicht mitgekriegt.«
    Pendel hatte tatsächlich etwas gesagt, aber mit so erstickter Stimme, daß es kaum zu hören war. Also setzte er sich aufrecht, wie Osnard, und versuchte es noch einmal.
    »Ich glaube, ich habe Sie schon einmal gefragt, wieviel Louisa auf dem freien Markt wert sein mag, Andy.«
    Osnard begrüßte diese praktische Frage. Er hatte selbst vorgehabt, sie demnächst aufzuwerfen.
    »Genauso viel wie Sie, Harry. Das ist sich gleich«, sagte er aufrichtig. »Dasselbe Grundgehalt, dieselben Prämien. Das ist für mich eine Frage des Prinzips. Mädchen sind genauso gut wie wir. Besser. Hab ich London erst gestern noch gesagt. Gleiche Bezahlung, oder die Sache läuft nicht. Wir können Ihr Geld verdoppeln. Einen Fuß in der Stillen Opposition, den andern im Kanal. Prost.«
    Auf dem Bildschirm hatte die Szene gewechselt. In einem Canyon entkleideten zwei Westernmädchen einen Cowboy, die angepflockten Pferde standen abgewandten Blicks daneben.
     
    Pendel sprach wie im Schlaf, langsam und mechanisch, eher mit sich selbst als mit Osnard.
    »Das würde sie niemals tun.«
    »Warum nicht?«
    »Sie hat Prinzipien.«
    »Die kaufen wir ihr ab.«
    »Die sind nicht verkäuflich. Sie ist wie ihre Mutter, je mehr man sie bedrängt, um so sturer wird sie.«
    »Wozu sie bedrängen? Warum können wir sie das nicht aus freien Stücken machen lassen?«
    »Sehr witzig.«
    Osnard wurde theatralisch. Er warf einen Arm hoch und preßte den andern an die Brust. »›Ich bin ein Held, Louisa! Du kannst eine Heldin sein! Marschier an meiner Seite! Schließ dich dem Kreuzzug an! Rette den Kanal! Rette Delgado! Mach Front gegen die Korruption!‹ Soll ich’s mal bei ihr versuchen?«
    »Nein. Das wäre alles andere als klug.«
    » Wieso? «
    »Ehrlich gesagt, sie hat was gegen Engländer. Mit mir hält sie es aus, weil ich gut erzogen bin. Aber wenn es um die englische Oberschicht geht, neigt sie zur Ansicht ihres Vaters, daß diese Leute ohne jede Ausnahme verlogene und absolut skrupellose Schweine sind.«
    »Hatte den Eindruck, ich wäre ihr ganz sympathisch.«
    »Und sie würde niemals ihren Chef verpfeifen. Niemals.«
    »Auch nicht für einen hübschen Batzen

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