Der Schneider
Mickies Stiller Opposition gesprochen hatten.
»Ich sage Ihnen, was Sie machen werden«, fuhr er ihn an, wieder den autoritären Tonfall annehmend. »Sie gehen zu diesem Abraxas und sagen ihm: ›Mickie. Unangenehme Neuigkeiten. Mein verrückter Millionär will nicht mehr warten. Wenn du also nicht wegen einer Verschwörung mit Leuten, von denen keine Sau weiß, wofür oder wogegen sie sich eigentlich verschwören, in den panamaischen Knast zurückwandern willst, dann spuck’s endlich aus. Wenn du es tust, wartet ein Sack voll Geld auf dich, aber ein sehr hartes Bett in einer sehr kleinen Zelle, wenn du es nicht tust.‹ Ist das Wasser in dieser Flasche?«
»Ja, Andy, ich glaube schon. Sie möchten sicher gern etwas trinken.«
Pendel reichte ihm die von der Geschäftsführung zur Wiederbelebung erschöpfter Gäste bereitgestellte Flasche. Osnard trank, fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen und wischte mit seinem dicken Zeigefinger den Flaschenhals ab. Dann gab er Pendel die Flasche zurück. Doch Pendel war offenbar nicht durstig. Ihm war schlecht, und es war nicht die Art von Übelkeit, die sich mit Wasser vertreiben läßt. Eher hatte es mit seiner brüderlichen Freundschaft mit seinem Leidensgefährten Abraxas zu tun und mit Osnards Ansinnen, diese zu besudeln. Und aus einer Flasche zu trinken, die noch naß von Osnards Spucke war, war das allerletzte, wonach Pendel momentan der Sinn stand.
»Wir haben nur Bruchstücke«, beklagte sich Osnard, immer noch auf seinem hohen Roß. »Und was ergeben die? Geschwafel. Genaueres morgen. Abwarten und Tee trinken. Uns fehlt’s an der großen Vision, Harry. Aber die ist immer hinter der nächsten Ecke. London will sie jetzt . Die können nicht mehr warten. Wir auch nicht. Haben Sie gehört?«
»Laut und deutlich, Andy. Laut und deutlich.«
»Na schön«, sagte Osnard; es klang widerwillig, aber schon halb versöhnlich, denn er wollte ihr gutes Verhältnis wiederherstellen.
Und von Abraxas wechselte Osnard zu einem Thema, das Pendel noch mehr am Herzen lag, nämlich zu seiner Frau Louisa.
»Delgado ist auf dem Weg nach oben, ist Ihnen das klar?« fing Osnard unbekümmert an. »Die Presse hat ihn zum obersten Dingsda des Lenkungsausschusses für den Kanal hochgejubelt. Viel höher kann er nicht mehr steigen, sonst versengt er sich das Toupet.«
»Ich habe davon gelesen«, sagte Pendel.
»Wo?«
»In der Zeitung. Wo sonst?«
»Tatsächlich in der Zeitung?«
Jetzt war Osnard an der Reihe, den Lächelnden zu spielen, und Pendel hielt sich nun zurück.
»Louisa hat Ihnen also nichts davon erzählt?«
»Erst als es öffentlich bekannt war. Vorher nicht.«
Laß meinen Freund in Ruhe, sagten Pendels Augen. Laß meine Frau in Ruhe.
»Und warum nicht?« fragte Osnard.
»Weil sie verschwiegen ist. Weil sie Pflichtgefühl hat. Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt.«
»Weiß sie, daß wir uns heute abend treffen?«
»Natürlich nicht. Halten Sie mich für verrückt?«
»Aber sie weiß, daß da irgendwas im Busch ist? Muß doch bemerkt haben, daß sich in Ihrem Leben was geändert hat? Ist doch nicht blind.«
»Ich erweitere mein Geschäft. Mehr braucht sie nicht zu wissen.«
»Aber es gibt viele Möglichkeiten, sein Geschäft zu erweitern, richtig? Nicht alles davon wird gern gesehen. Jedenfalls nicht von Ehefrauen.«
»Sie macht sich keine Sorgen.«
»Den Eindruck hatte ich aber gar nicht, Harry. Damals auf Anytime Island. Kam mir ein bißchen zu angespannt vor. Hat nicht viel Wind darum gemacht. Ist nicht ihre Art. Wollte bloß von mir wissen, ob das in Ihrem Alter normal sei.«
»Was?«
»Daß man dauernd Gesellschaft braucht. Vierundzwanzig Stunden am Tag. Nur nicht die eigene Frau. Daß man immer in der Stadt herumrennt.«
»Was haben Sie ihr geantwortet?«
»Daß ich warten würde, bis ich vierzig bin, dann würde ich’s ihr sagen. Tolle Frau, Harry.«
»Ja. Das ist sie. Also lassen Sie sie in Ruhe.«
»Mir kam nur eben der Gedanke, daß sie vielleicht glücklicher wäre, wenn Sie sie beruhigen könnten.«
»Da machen Sie sich mal keine Sorgen.«
»Ich möchte ja bloß, daß wir ein bißchen näher an die Quelle rankommen, das ist alles.«
»Was für eine Quelle?«
» Die Quelle. Den Born alles Wissens. Delgado. Louisa hat Mickie gern. Sie bewundert ihn. Hat sie mir selbst gesagt. Sie betet Delgado an. Verabscheut die Vorstellung, daß der Kanal durch die Hintertür verscherbelt werden könnte. Scheint mir eine todsichere Sache. Von
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