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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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nebeneinander und händchenhaltend vor dem Geländewagen sitzen, dessen Klimaanlage auf Hochtouren läuft.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine unser Leben. Alles, was wir getan haben, hat sich ausgezahlt. Die Kinder. Wir. Es geht uns bestens.«
    »Solange du zufrieden bist, Harry.«
    Pendel befindet, die Zeit sei reif, sie mit seinem großen Plan bekanntzumachen.
    »Neulich im Laden habe ich eine komische Geschichte gehört«, sagt er im Tonfall amüsierter Erinnerung. »Es ging um den Kanal. Dieses alte japanische Projekt, von dem früher so viel die Rede war, steht angeblich wieder auf der Tagesordnung. Ich weiß nicht, ob dir bei der Kommission was davon zu Ohren gekommen ist.«
    »Was für ein japanisches Projekt?«
    »Eine neue Rinne. Auf Meereshöhe. Unter Einbeziehung der Caimito-Mündung. Es ist von Investitionen in Höhe von hundert Milliarden die Rede, falls ich das richtig mitbekommen habe.«
    Louisa reagiert ungehalten. »Harry, ich verstehe nicht, warum du mich auf einen Berg schleppen mußt, wenn du mir bloß von Gerüchten über einen neuen japanischen Kanal erzählen willst. Dieses Projekt ist unmoralisch und ökologisch verheerend, es ist gegen Amerika und gegen den Vertrag gerichtet. Und deshalb erwarte ich von dir, daß du demjenigen, der dir diesen Unsinn erzählt hat, den guten Rat gibst, nicht weiter solche Gerüchte zu verbreiten, die die Zukunft unseres Kanals nur noch schwieriger machen.«
    Für eine Sekunde überkommt Pendel ein schreckliches Gefühl des Scheiterns, und er bricht beinahe in Tränen aus. Dann überkommt ihn Empörung. Ich habe es versucht, ich habe sie mitnehmen wollen, aber sie will nicht. Sie bleibt lieber im alten Trott. Weiß sie denn nicht, daß die Ehe etwas Gegenseitiges ist? Entweder man stützt einander, oder man fällt hin. Er nimmt einen arroganten Tonfall an.
    »Nach dem, was ich gehört habe, wird diesmal nur hinter vorgehaltener Hand davon gesprochen, und deshalb überrascht es mich nicht sonderlich, daß du noch nichts davon gehört hast. Die höchsten Kreise Panamas sind daran beteiligt, aber natürlich bewahren sie Stillschweigen und treffen sich nur heimlich. Wenn es um den Kanal geht, sind die Japsen für Argumente nicht zugänglich. Dein geliebter Ernie Delgado ist angeblich auch mit von der Partie, was mich weitaus weniger erstaunt, als es eigentlich sollte. Ich habe mich nie so mit Ernie anfreunden können wie du. Und euer feiner Präsident steckt bis zum Hals mit drin. Was meinst du, was er in den fehlenden Stunden seiner Fernostreise getrieben hat?«
    Lange Pause. Eine ihrer längsten. Anfangs vermutet er, sie verarbeite die Ungeheuerlichkeit seiner Mitteilung.
    »Unser feiner Präsident ?« fragt sie.
    »Ganz recht.«
    »Von Panama ? Wie redest du von diesem Mann? Du sprichst ja wie Mr. Osnard. Harry, ich begreife nicht, warum du Mr. Osnard alles nachplappern mußt.«
     
    »Sie ist kurz davor«, gab Pendel noch am selben Abend telefonisch durch; er sprach sehr leise, für den Fall, daß die Leitung abgehört wurde. »Es ist eine schwere Entscheidung. Sie fragt sich, ob sie dem gewachsen ist. Es gibt Dinge da draußen, die sie lieber nicht wissen möchte.«
    »Was für Dinge?«
    »Das hat sie nicht gesagt, Andy. Sie ringt mit dem Entschluß. Sie macht sich Sorgen wegen Ernie.«
    »Hat sie Angst, daß er sie durchschauen könnte?«
    »Nein. Daß sie ihn durchschauen könnte. Ernie hält die Hand auf wie alle anderen, Andy. Sein Saubermann-Image ist doch bloß Fassade. ›Ich möchte da lieber nicht so genau hinsehen‹, hat sie gesagt. Wortwörtlich. Sie muß ihren ganzen Mut zusammennehmen.«
    Osnards Rat befolgend, führte er sie am nächsten Abend ins La Casa del Marisco zum Essen aus; sie nahmen der Tisch am Fenster. Zu seiner Verblüffung bestellte sie Hummer Thermidor.
    »Harry, ich bin doch nicht aus Stein. Ich habe Launen Ich verändere mich. Ich bin ein fühlendes menschliches Wesen. Möchtest du, daß ich Garnelen und Heilbutt esse?«
    »Lou, ich möchte, daß du dich auf jeden Fall so entfaltest, daß du dich wohl fühlst.«
    Sie ist soweit, befand er, als er sah, wie sie sich den Hummer schmecken ließ. Sie ist in die Rolle hineingewachsen.
    »Mr. Osnard, Sir, es freut mich sehr, Ihnen mitteilen zu können, daß der zweite, von Ihnen sehnlich erwartete Anzug fertig ist«, verkündete Pendel am nächsten Morgen, diesmal am Telefon in seinem Zuschneidezimmer. »Schön gefaltet und in Seidenpapier verpackt in einer Schachtel. Sie können

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