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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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beitreten?«
    Aber diesmal bringt Pendel es nicht fertig zu sagen, was Mr. Blüthner hören will.
    »Ich bin noch nicht soweit, Mr. B.«, antwortet er ernst. »Ich muß noch wachsen. Ich arbeite daran, es wird schon werden. Und wenn ich dann soweit bin, melde ich mich auf der Stelle bei Ihnen.«
    Aber jetzt war er soweit. Seine Verschwörung war in vollem Gang, mit oder ohne Ölraffination. Die schwarze Katze der Wut putzte sich die Pfoten für die Schlacht.

16
    Tage, hatte Pendel zu Osnard gesagt. Ich werde ein paar Tage brauchen. Tage gegenseitiger Rücksichtnahme und ehelicher Regeneration, in denen Pendel der Ehemann und Liebhaber die eingestürzten Brücken zur Gemahlin wieder aufbaut und sie rückhaltlos in seine geheimsten Sphären einführt und zur Vertrauten macht, zur Gefährtin und Mitspionin im Dienst seiner großen Vision.
    Wie Pendel sich für Louisa neu geschaffen hat, so erschafft er jetzt Louisa für die Welt. Es gibt keine Geheimnisse mehr zwischen ihnen. Sie teilen alles Wissen, sie wirken endlich zusammen, Kontaktmann und Quelle, einander und Osnard verpflichtet, ehrliche und feste Partner in einem großen Unternehmen. Sie haben so viel gemeinsam. Delgado ist ihre gemeinsame Informationsquelle, was das Schicksal des tapferen kleinen Panama betrifft. London ist ihr gemeinsamer anspruchsvoller Auftraggeber. Die angelsächsische Zivilisation steht auf dem Spiel, es gilt die Kinder zu schützen, ein Netzwerk hervorragender Quellen zu pflegen, eine heimtückische japanische Verschwörung zu vereiteln, einen gemeinsamen Kanal zu retten. Welche Frau, die etwas taugt, welche Mutter, welche Erbin der Konflikte ihrer Eltern würde diesem Ruf nicht folgen, würde nicht zu den Fahnen eilen, zum Schwert greifen und die Usurpatoren des Kanals nach Strich und Faden ausspionieren? Von nun an wird die große Vision ihrer beider Leben vollständig beherrschen. Alles wird sich dieser Vision unterordnen, und in den himmlischen Bildteppich wird jedes beiläufige Wort und jede zufällige Begebenheit eingewebt werden, alles, was Jonah wahrnimmt und Pendel restauriert, aber fortan mit Louisa als Vestalin. Louisa, unterstützt von Delgado, wird davorstehen und tapfer die Lampe halten.
    Und wenn Louisa auch nicht direkt von ihrem neuen Status weiß, kommt sie zumindest nicht umhin, von den damit verbundenen kleinen Vorteilen beeindruckt zu sein.
    Abends, nachdem er unwichtige Termine abgesagt und den Clubraum geschlossen hat, eilt Pendel nach Hause; dort umhegt und beobachtet er seine diensttuende Agentin, studiert ihre Verhaltensweisen und trägt die Details ihres beruflichen Alltags zusammen, mit Schwerpunkt auf den Beziehungen zu ihrem verehrten, hochgesinnten, angebeteten und – für Pendels eifersüchtigen Blick – maßlos überschätzten Chef Ernesto Delgado.
    Bis jetzt, fürchtet er, hat er seine Frau nur als Ideal geliebt, als ein Muster an Geradlinigkeit, als Ergänzung seiner komplizierten Persönlichkeit. Nun gut, von heute an wird er die idealistische Liebe beiseite lassen und in ihr nur noch sie selbst sehen. Bis jetzt hat er, wenn er an den Gitterstäben der Ehe rüttelte, nur zu entkommen getrachtet. Von nun an trachtet er hineinzukommen. Keine Einzelheit ihres Alltags ist ihm zu gering: Er registriert jede Bemerkung über ihren unvergleichlichen Arbeitgeber, über sein Kommen und Gehen, seine Telefonate, Termine, Konferenzen, Launen und Eigenheiten. Die kleinste Abweichung von seinem Alltagstrott, Name und Rang jedes noch so zufälligen Besuchers, der auf dem Weg zur Audienz bei dem großen Mann Louisas Büro passieren muß – all die Bagatellen, denen Pendel bis jetzt nur höflich mit halbem Ohr gelauscht hatte –, all diese Dinge werden für ihn nun zu Angelegenheiten von so heftigem Interesse, daß er seine Neugier stark bezähmen muß, um nicht ihren Argwohn zu erregen. Aus dem gleichen Grund fertigt er seine fortlaufenden Notizen unter Einsatzbedingungen an: in seinem Zimmer hockend – muß ein paar Rechnungen schreiben, meine Liebe – oder auf der Toilette – ich weiß auch nicht, was ich da gegessen habe, meinst du, es könnte der Fisch gewesen sein?
    Und am Morgen eine persönlich abgelieferte Rechnung für Osnard.
    Ihr gesellschaftliches Leben fasziniert ihn fast so sehr wie das Delgados. Die lahmen Treffen mit den Zonenbewohnern, die jetzt Exilanten im eigenen Land sind; ihre Mitgliedschaft bei einem Radikalen Forum, das Pendel bis jetzt etwa so radikal vorgekommen ist wie warmes Bier,

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