Der Schneider
ihn abholen, sobald ich Ihren Scheck erhalten habe.«
»Großartig. Wann treffen wir alle uns dann mal? Ich würde mich zu gerne darin blicken lassen.«
»Das wird leider nicht gehen, Sir. Jedenfalls nicht wir alle. Das ist nicht im Angebot. Wie gesagt. Ich nehme Maß, ich schneide, ich mache die Anprobe, ich mache alles allein.«
»Was soll das heißen?«
»Daß ich auch zustelle. Ohne Mitwirkung anderer. Jedenfalls nicht direkt. Nur Sie und ich, keine direkte Beteiligung Dritter. Ich habe immer wieder mit ihnen geredet, aber sie wollten nicht nachgeben. Die Sache läuft entweder über mich oder gar nicht. Davon wollen sie nicht abweichen, auch wenn wir das noch so bedauerlich finden.«
Sie trafen sich in Coco’s Bar im El Panama. Pendel mußte schreien, um die Band zu übertönen.
»Wie gesagt, Andy, sie hat eine strenge Moral. Da läßt sie nicht mit sich spaßen. Sie achtet Sie, sie mag Sie. Andererseits ist für sie bei Leuten wie Ihnen Schluß. Den Ehemann in Ehren halten und ihm gehorchen ist eine Sache; eine ganz andere ist es für sie als Amerikanerin, ihren Arbeitgeber für einen britischen Diplomaten auszuspionieren, selbst wenn der Arbeitgeber seine heilige Pflicht verrät. Ob Sie das nun Heuchelei nennen oder typisch Frau, ist gleichgültig. ›Erwähne Mr. Osnard nie wieder‹, hat sie gesagt, und es war ihr sehr ernst damit. ›Bring ihn nicht mehr hierher, laß ihn nicht mit den Kindern reden, er verdirbt sie sonst noch. Sag ihm nie, daß ich bereit bin, diese schreckliche Sache für dich zu machen, oder daß ich der Stillen Opposition beigetreten bin.‹ Ich sag’s Ihnen ohne Umschweife, Andy, so schmerzlich es auch sein mag. Wenn Louisa sich auf die Hinterbeine stellt, kriegt man sie höchstens noch mit einem Kran vom Fleck.«
Osnard nahm sich eine Handvoll Cashewnüsse, legte den Kopf zurück, gähnte und warf sie sich in den Mund.
»Das wird London aber gar nicht gefallen.«
»Die werden sich damit abfinden müssen, Andy.«
Osnard dachte kauend darüber nach. »Ja, das müssen sie«, stimmte er zu.
»Und sie wird auch nichts Schriftliches liefern«, setzte Pendel noch nachträglich hinzu. »Mickie ebenfalls nicht.«
»Kluges Mädchen«, sagte Osnard, immer noch mampfend. »Sie bekommt ihr Gehalt rückwirkend ab Anfang dieses Monats. Und rechnen Sie sorgfältig ihre Spesen ab. Auto, Heizung, Licht, Strom, alles mit Datum. Möchten Sie noch so einen oder lieber einen Schnaps?«
Louisa war rekrutiert.
Als Harry Pendel am nächsten Morgen aufstand, fühlte er sich gespaltener als je zuvor in all den Jahren seines Strebens und Fantasierens. Noch nie war er so viele Personen auf einmal gewesen. Einige davon waren ihm fremd, andere kamen ihm vor wie Wärter und alte Knastbrüder, die ihm aus früheren Zeiten bekannt waren. Aber alle waren auf seiner Seite, marschierten mit ihm in dieselbe Richtung und teilten seine große Vision.
»Sieht aus, als hätten wir eine schwere Woche vor uns, Lou«, rief er zur Eröffnung des neuen Feldzugs seiner Frau durch den Duschvorhang zu. »Eine Menge Hausbesuche, neue Aufträge im Anrollen.« Sie wusch sich die Haare. Das machte sie seit einiger Zeit häufig, zuweilen zweimal am Tag. Und die Zähne putzte sie sich mindestens fünfmal täglich. »Gehst du heute abend zum Squash, Schatz?« fragte er absolut beiläufig.
Sie drehte die Dusche ab.
»Squash, Schatz. Ob du heut abend spielen gehst?«
»Soll ich?«
»Heute ist Donnerstag. Club-Abend im Laden. Ich dachte, du gehst donnerstags immer Squash spielen. Feste Verabredung mit Jo-Ann.«
»Möchtest du, daß ich mit Jo-Ann Squash spielen gehe?«
»War nur eine Frage, Lou. Kein Wunsch. Eine Frage. Du willst dich doch fit halten. Und es wirkt ja auch, wie man sieht.«
Bis fünf zählen. Zweimal.
»Ja, Harry, ich habe in der Tat vor, heute abend mit Jo-Ann Squash zu spielen.«
»Na also. Großartig.«
»Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, ziehe ich mich um, fahre zum Club und treffe mich mit Jo-Ann zum Squash. Wir haben von sieben bis acht einen Court gebucht.«
»Na, dann grüß sie von mir. Sie ist eine nette Frau.«
»Jo-Ann spielt am liebsten zweimal eine halbe Stunde hintereinander. Eine, um ihre Rückhand zu trainieren, und eine für ihre Vorhand. Für ihre Partner gilt dabei natürlich jeweils das Gegenteil. Falls man nicht Linkshänder ist, aber das bin ich ja nicht.«
»Aha. Verstehe.«
»Und die Kinder sind bei den Oakleys«, setzte sie ihre Bekanntmachung fort. »Dort
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